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DAGMAR KOLLER – 1982: Seinerzeit #4


4. Juni 2020

DAGMAR KOLLERinternational erfolgreicher Musicalstar, Bühnen-Ikone, TV-Moderatorin, Entertainerin, Ehefrau des legendären Helmut Zilk und jung gebliebene Grande Dame.
Wir blicken zurück und bringen ein Interview, das sie dem VON Magazine im Herbst 1982 gab. 

„Entweder“, sagte Volksoperndirektor Karl Dönch zu ihr, „bleiben Sie zu Hause und treten weiter als Aldonza im ‚Mann von la Mancha‘ auf, oder Sie übernehmen eine neue Rolle und kommen mit nach Japan.“

Dagmar Koller musste nicht lange überlegen: neue Rollen haben sie immer gereizt, und so waren die Japaner die ersten, die unsere Musical-Lady am 10. Juni 1982 in Tokio in einer Hosenrolle bewundern konnten; in einem wunderschönen Kostüm von Frau Professor Schlesinger als Prinz Orlofsky in der „Fledermaus“. Das Wiener Publikum wird dann im Herbst dazu Gelegenheit haben.

VONsociety: Entwurf-Skizze des Kostüms das Dagmar Koller als Prinz Orlofsky trug. Schwarzer Gehrock mit Goldstickerei. Entwurf von Prof. Schlesinger
Entwurf-Skizze des Kostüms, das Dagmar Koller als Prinz Orlofsky in der Operette „Die Fledermaus“ trug

Trotz der vielen Proben und Vorbereitungen auf die große Reise, die das Ensemble der Volksoper mit drei Operetten auf ein Gastspiel durch die Städte Tokio, Yokohama, Nagoya, Osaka und Fukuoka führte, hatte Dagmar Koller Zeit gefunden, mich in ihrem eleganten Heim zu empfangen. Gleich ums Eck vom Graben, in der Naglergasse, wohnt sie seit ihrer Heirat mit Stadtrat Professor Dr. Helmut Zilk.

„In der Wohnung“, sagt sie mir beim Öffnen der Tür, „steckt eigentlich nicht viel von mir. Sie hat mir gefallen, so wie sie mein Mann eingerichtet hat“. Trotzdem merkt man, dass hier eine Künstlerin wohnt. Vielleicht sind es nur Kleinigkeiten. Ihre Schallplatten oder ihr Schreibtisch voll mit Post, Zeitungen und Fotos. Und darüber das Bild, das Professor Ernst Fuchs von ihr im roten Kleid gemalt hat.

Ein Glückskind, denkt man sich unwillkürlich, wenn man Dagmar Koller zum ersten Mal sieht, bei ihr stimmt alles. Attraktiv, blendende Figur, freundlich, liebenswert und tanzen und singen kann sie auch noch.

Wenn man dann mit ihr spricht, merkt man, dass diesem „Glückskind“ nicht alles so leicht in den Schoß gefallen ist. Dass in dieser zierlichen Person nicht nur Talent, sondern auch eine Riesenportion Ehrgeiz, ungeheurer Fleiß und Disziplin stecken.

Dagmar Koller ist eine waschechte Kärntnerin. Sie wurde am 26. August in Klagenfurt geboren. Das künstlerische Talent dürfte sie ebenso wie ihr älterer Bruder, der heute ein Stararchitekt in Dallas ist, von ihrem Vater, einem bildenden Künstler, geerbt haben. Vielleicht wäre es bei ihr nie entdeckt worden, hätte sie nicht ihre Mutter wegen schlechter Haltung auf ärztlichen Rat in eine Ballettschule gesteckt. Dort fühlte sich die kleine Dagmar auf Anhieb glücklich. Das war die Umgebung in der sie sich entfalten konnte. Sie fiel sofort durch ihr Talent auf, und bei der alljährlichen Vorstellung der Ballettschule sollte sie ein Solo tanzen. Doch dazu war ein neues Kleid notwendig. Dagmars Mutter schneiderte ihr eines aus einem alten Spitzenvorhang, aber es war natürlich nicht so schön wie die Kleider der anderen Mädchen, die durchwegs aus begüterten Häusern kamen. Man verbannte sie in die letzte Reihe.

Zuerst wollte ich mich umbringen. Aber dann schwor ich mir, ich werde mich durchbeißen und man wird mich noch bitten, dass ich auftrete.

„Das war für meine Karriere ausschlaggebend“, erinnert sich die Künstlerin heute. „Zuerst wollte ich mich umbringen. Aber dann schwor ich mir, ich werde mich durchbeißen und man wird mich noch bitten, dass ich auftrete.“ Sie hat Wort gehalten. In einem Alter, in dem andere Mädchen vielleicht mit Puppen spielen, entschloss sich Dagmar Koller, ganz allein nach Wien zu gehen, denn sie wusste, eine erstklassige Tanzausbildung konnte sie nur an der Akademie für Musik und Darstellende Kunst erhalten.

Die Ehe ihrer Eltern war damals schon getrennt worden, und Dagmars Mutter arbeitete in London als Fremdsprachenkorrespondentin. Die Vierzehnjährige zog in ein Lehrlingsheim im 11. Bezirk und machte jeden Tag den weiten Weg von Simmering zur Akademie und zurück. Ihr Ehrgeiz kannte keine Grenzen. Sie übte und lernte und trainierte. „Im Heim war ich die jüngste und galt als aufrührerisch und frech. Man bestrafte mich meistens mit dem Putzen der Toiletten“. Heute kann sie darüber lachen.

In der Akademie jedoch war man voll des Lobes über die neue Schülerin. 1962 beendete sie ihr Studium mit dem Staatspreis für Tanz. Die Volksoper engagierte sie vom Fleck weg und Dagmar war glücklich über ihr erstes selbstverdientes Geld.

Doch sie wollte weiterkommen, wollte in die große Welt. Neben ihrem Tanzstudium hatte das ehrgeizige Mädchen Gesangsunterricht genommen. Später legte sie auch die Schauspielprüfung ab. Diese ideale Kombination prädestinierte sie für eine Musicalkarriere. 1964 war es endlich soweit. Dagmar Koller debütiert als singende und tanzende Schauspielerin in Hamburgs Operettenhaus im „Land des Lächelns“.

Der Erfolg ist groß und Deutschland beginnt sich für das Nachwuchstalent zu interessieren. Hans Joachim Kulenkampf wird ihr Partner auf einer Schauspiel-Tournee durch Europa und Israel. Zwei Jahre später lernen die Amerikaner die begabte Österreicherin kennen. Mit dem Johann Strauß-Orchester gastiert sie in der Carnegie Hall am Broadway als Sopranistin.

„Von meinem Partner Guiseppe di Stefano, mit dem ich lange auf Tournee war und der mich ganz in seine Familie aufgenommen hat, habe ich gelernt, was es für einen Südländer heißt, schön zu leben. Er hat mir gezeigt, dass man sein Geld nicht nur brav und bieder auf die Bank tragen kann, sondern dass es teure Restaurants und luxuriöse Hotels gibt, die einem das harte Los der Gastspielreisen angenehmer machen können“, erinnert sich die Künstlerin an ihr damaliges Leben.

VONsociety: Portraitaufnahme von Dagmar Koller, schwarz-weiß, sie ist im Halbprofil rechts im Bild zu sehen. Im Hintergrund ein Bild von ihr, das Ernst Fuchs gemalt hat
Dagmar Koller 1982, vor dem Bild, das Professor Ernst Fuchs von ihr gemalt hat

Am Broadway sitzt Dagmar Koller 17 Mal in der Vorstellung „Sweet Charity“ und schwört sich, „das werde ich auch spielen“. 1970 ist es dann soweit. Mit der deutschsprachigen Uraufführung dieses Stückes feiert sie in Wiesbaden und Berlin wahre Triumphe. Das war der endgültige Durchbruch für die ehemalige Ballettschülerin. Sie hat ihr Versprechen wahr gemacht. Jetzt reißen sich Schauspielhäuser, Fernsehstationen und Schallplattenstudios um sie. Dagmar nimmt ihre erste Langspielplatte auf, geht als „Irma la Douce“ auf Tournee, steht mit Mathias Habich in Abenteuer eines Sommers vor der Kamera und erobert mit Helmut Lohner als Partner die Schweiz in „My Fair Lady“. Dazwischen gibt es immer wieder Fernsehen. An die Serie „Ringstraßenpalais“ erinnert sie sich besonders gerne.

Volksoperndirektor Karl Dönch holt die vielbeschäftigte Künstlerin wieder nach Wien. „Die Rückkehr in die Heimatstadt war herrlich“, gesteht Dagmar Koller. „Als Star dort einzuziehen, wo man als keines Ballettmädchen angefangen hat, ist herrlich“. Sie wird Wiens umjubelte „Fair Lady“, ist die widerspenstige Ehefrau in „Kiss me Kate“, versprüht mit schwarzer Perücke sehr viel Temperament in „West Side Story“ und gilt als ideale Aldonza in „ Der Mann von la Mancha“.

Hat eine Frau, die alle ihre Traumrollen gespielt hat, beruflich noch einen Wunsch für die Zukunft? „Vielleicht Hello Dolly!“, überlegt sie, „die Rolle, die Barbra Streisand im Film verkörpert hat, würde mich reizen“.

Kann man als vielbeschäftigte Künstlerin mit einem randvollen Terminkalender eine harmonische Ehe führen? „Und ob“, nickt die blonde Volksopern-Lady temperamentvoll. „Man muss nur auch in dieser Beziehung diszipliniert sein. Man muss zum echten Partner werden. Mein Mann ist so rücksichtsvoll, oft verlässt er auf Zehenspitzen das Haus, um mich nicht zu wecken. Und ich belaste ihn wiederum in keiner Weise mit meinen beruflichen Problemen.“

Und eine letzte Frage: „Wie kann man bei so viel harter Arbeit, öffentlichen Auftritten und kräfteraubendem Einsatz so jung und gelöst wirken?“ Die Künstlerin lächelt. „Erfolg ist die beste Medizin für eine Frau. Darum nehme ich immer wieder die Herausforderung an, mich zu bestätigen und Anerkennung zu ernten.“ Da wundert es wohl niemanden, dass heute schon Lehraufträge von Akademien und Schauspielschulen ins Haus flattern, denn der junge ehrgeizige Bühnennachwuchs möchte nur zu gerne wissen, wie man eine solche Karriere macht, wie der Musicalstar Dagmar Koller.

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