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Immunsystem, gesunde Bakterien & eine Weltneuheit


5. Februar 2021

Ein starkes Immunsystem ist gefragter denn je.
Univ.-Prof. DDr. JOHANNES HUBER und Mag. ANITA FRAUWALLNER verraten im Gespräch mit ANDREA HARRIS was getan werden kann, um unsere Abwehrkräfte zu stärken. Ein Talk über die besondere Rolle des Immunsystems, die wichtige Bedeutung einer gesunden Darmflora und eine Weltneuheit als starker Partner bei der Bekämpfung von Krankheitserregern.

VON: Wir wissen, dass ältere Menschen ein wesentlich höheres Risiko haben, an Covid-19 zu erkranken als jüngere Personen und Kinder. Weiß man, womit das zusammenhängt?
Univ.-Prof. DDr. Johannes Huber: Eine wichtige Rolle scheint das Immunsystem zu spielen. Die Wissenschaft schaut da jetzt ziemlich genau hin, weil man überlegt, wieso Kinder interessanterweise kein Covid-19 bekommen. Frauen vor der Menopause erkranken seltener als Männer und sterben auch seltener an Covid-19. Wenn sie allerdings in die Menopause kommen, erkranken und sterben sie genauso häufig. 

Gibt es eine Erklärung dafür?
Johannes Huber:
 Ja. Das angeborene Immunsystem ist bei Kindern und Jugendlichen viel stärker als bei älteren Menschen. Es ist grundsätzlich sehr interessant, dass man schon für jedes Körpersystem Präventionsmaßnahmen gesetzt hat, aber niemand hat sich bisher um das Immunsystem gekümmert. Das Thema kommt aber jetzt, und die Wissenschaft hat auch schon einen eigenen Begriff dafür: Immunseneszenz – das Altern des Immunsystems. Ähnlich wie bei Osteoporose, Arteriosklerose und Herz-Kreislauferkrankungen, da gibt es ja gute vorbeugende Maßnahmen, wird nun das Immunsystem verstärkt erforscht.

VONsociety: schwarz-weiß Foto von Prof. DDr. Johannes Huber beim Expertengespräch zum Thema Immunsystem. Er sitzt in einem Ledersessel, ist im Halbprofil zu sehen und hat die linke Hand in einer erklärenden Geste gehoben © Paul Harris
Der Wiener Mediziner und Theologe Univ.-Prof. DDr. Johannes HUBER ist eine Kapazität im Bereich der Fortpflanzungsmedizin, Endokrinologie und interdisziplinären Gynäkologie.
Der „Hormonpapst“ erlangte große Bekanntheit durch Vorträge, Kurse und mehrere Bücher über Altersforschung bzw. Anti-Aging, Hormon- und Frauenmedizin sowie gesunde Lebensführung
© Paul Harris


Was hat man bis jetzt herausgefunden?
Johannes Huber:
 Wir haben zwei verschiedene Immunsysteme: Das angeborene (unspezifische) und das erworbene (spezifische) Immunsystem. In der Vergangenheit hat man sich immer auf das erworbene konzentriert, das in der Lage ist, Antikörper zu bilden. Es scheint aber das angeborene Hintergrund-Immunsystem sehr wichtig zu sein.

Ein Virus macht zunächst mit dem angeborenen Immunsystem Bekanntschaft, wenn es in den Körper kommt. Monozyten, Makrophagen, Mastzellen etc., die das Virus sofort in Empfang nehmen und beseitigen. Das erklärt auch, warum es oft keine Antikörper gibt. Es lässt auch befürchten, dass die Impfung nicht so erfolgreich sein wird, wie man das jetzt darstellt. Wobei man froh sein muss, dass die Impfung da ist, weil dann die ganze Unruhe ein Ende haben wird. Nicht weil die Impfung immer wirkt, sondern weil die Panik dann weg ist und Ruhe einkehren wird. Das ist nicht nur etwas Medizinisches, sondern auch etwas Soziologisches. 

Es sind also die Zellen des angeborenen Immunsystems wichtig für die Abwehr der Viren. Woher kommen die?
Johannes Huber:
 Sie kommen aus dem Knochenmark. Und je älter der Knochen ist, umso weniger Zellen sind vorhanden. Da gibt es interessanterweise wieder einen Zusammenhang zwischen Osteoporose und dem Immunsystem. Denn die Immunzellen kommen aus dem Inneren des Knochens. Jeder Knochen hat außen eine harte Schale; innen hat er die Spongia (schwammartiges Innengewebe der Knochen). Hier werden die Stammzellen bereitgestellt, sie schwirren aus und bilden dann das Immunsystem. Je schlechter der Knochen wird, je mehr man altert, umso weniger hat man. Unabhängig von Covid-19 gilt es zu überlegen, was kann ich machen, um das immunologisch bedingte Altern zu reduzieren. 

VONsociety: Foto des Zitats von Mag. Anita Frauwallner zum Thema Immunsystem "Man muss verstehen, warum die Lunge geschützt wird, wenn die Abwehrzellen im Darm sitzen."

Was kann man also tun, um diese Zellen zu erhalten bzw. zu vermehren?
Johannes Huber:
 Es gibt jetzt schon Arbeiten, wie man die Stammzellen erhalten bzw. vermehren kann (Gregory M. Fahy). Das Hormon Somatotropin, aber auch DHEA und Metformin. Diese Stoffe können das Immunsystem eines Menschen optimieren. Ähnlich wie beim Knochen, wo man verhindert, dass Osteoporose entsteht, oder bei der Prävention von Herz-Kreislauf- oder anderen arteriosklerotischen Erkrankungen, versucht man jetzt, das Immunsystem bis zu einem gewissen Grad zu rejuvenieren. Das kann man. Und ein Aspekt ist hier auch interessanterweise das Östrogen. Das Östrogen schützt den Knochen. Es schützt vor der Osteoporose und es verbessert die mononukleären Stammzellen, aus denen sich das angeborene Immunsystem bestückt. Ein unglaublicher Erklärungsversuch, der deshalb zusätzlich interessant ist, weil auch ein zweiter Aspekt das Östrogen betrifft. Nämlich der ACE2 Rezeptor (Angiotensin-konvertierendes Enzym 2) über den Covid-19 die Zelle befällt. Der ACE2 Rezeptor wird durch das Östrogen gestärkt.

Das erklärt also die Genderspezifizität bei den Covid-19 Erkrankungen?
Johannes Huber:
 Ja, es sind zwei Mechanismen, die eine Genderspezifizität erklären. Durch Östrogene werden einerseits die Stammzellen verbessert und andererseits wird der Eintritt von Covid-19 in die Zelle durch diesen Angiotensin-Converting-Complex2, der vom Östrogen geschützt wird, verlangsamt. 

Es stellt sich aber auch die Frage, was kann man tun, um das Immunsystem der Männer zu verbessern?
Johannes Huber:
 Da kommen wir zu dem Thema, bei dem Frau Magister Frauwallner und ich uns schon so oft getroffen haben: Wir haben im Darm das Mikrobiom, aber auch ein Virom. Wenn dieses Darmsystem in Ordnung ist, dann werden die mononukleären Zellen, also die angeborenen Immunzellen, gut stabilisiert und aggressiv gemacht gegen jeden Feind. Ein gesundes Mikrobiom ist also für ein starkes Immunsystem wichtig, weil es durch die gesunden Bakterien und Viren trainiert wird. Wenn schlechte Bakterien da sind, dann kommt dieses Gleichgewicht durcheinander. Ähnlich ist es auch mit dem Virom. 

VONsociety: schwarz-weiß Foto von Mag. Anita Frauwallner beim Expertengespräch zum Thema Immunsystem. Sie sitzt an einem Tisch, ist im Profil zu sehen und spricht während sie mit den Händen gestikuliert © Paul Harris
Mag. Anita FRAUWALLNER gilt international als DIE Expertin für Darmgesundheit. Sie ist eine gefragte Vortragende und ihr Institut AllergoSan gehört zu den weltweit führenden Kompenzzentren im Bereich der Mikrobiomforschung
© Paul Harris


Mag. Anita Frauwallner: Wenn ein immunologisches Gleichgewicht herrscht, funktioniert unsere Abwehr großartig! Habe ich aber ein relativ schlechtes Mikrobiom, dann entsteht rasch Inflammation, wodurch ein leaky gut (Anm.: gestörte Barrierefunktion der Darmschleimhaut, lässt Bakterien und Toxine aus dem Darminhalt in den Körper gelangen)entsteht. Bei etwa 50 % der Covid-19 Patienten weisen wir den Erreger im Darm nach. Wenn das Virus von der Lunge in den Darm absackt und auf eine reduzierte oder pathogendominierte Darmflora trifft, dann führt dies zu einer inadäquaten Aktivierung des Immunsystems – und das kann dann zu einem Zytokin-Sturm führen. Das heißt, alle Immunreaktionen werden hochgefahren, man muss sich das wie ein schweres Gewitter im Organismus vorstellen. Und unser Körper gibt dann irgendwann auf. Das passiert bei jenen Patienten, die nicht überleben. 

Ein gutes und starkes Immunsystem hat man also durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren?
Anita Frauwallner:
 So ist es! Das Immunsystem kann man nicht für sich allein sehen. Viele Menschen glauben ja, es gäbe DAS Immunsystem. So wie ein Organ irgendwo im Körper. Dem ist jedoch nicht so. Natürlich, 70 bis 80 % der Immunzellen sitzen im Darm. Der Darm ist somit unser wichtigstes Immunorgan. Und gesteuert wird es zu einem großen Teil – und das ist es, was mich fasziniert, von den Mikroben in unserem Darm!

Diese sind in der Lage sowohl über den Vagusnerv als auch über eigene Stoffwechselprodukte im Blut und auch über unser Lymphsystem alle Zellen in unserem Körper mit ihren Botschaften zu erreichen – wir machen dazu gerade unglaublich spannende Studien. Es gibt anscheinend keine Zelle in unserem Körper, die nicht mit den Bakterien im Darm kommuniziert. Unser Organismus ist eine Einheit. Der für mich spannendste Aspekt ist: Was muss ich tun, um die Immunzellen im gesamten Organismus zu beeinflussen. 

Die Leute müssen aber zuerst mal verstehen, dass 80 % der Immunzellen im Darm sitzen und trotzdem Einfluss auf den ganzen Körper nehmen können …
Anita Frauwallner: Genau. Man muss verstehen, warum die Lungen durch diese Mikroben geschützt werden, obwohl die Abwehrzellen im Darm sitzen. Diese Bakterien sitzen auch in allen Schleimhäuten, empfangen die Erreger und machen sie unschädlich, phagozytieren – also verschlucken die Viren einfach – dadurch können diese natürlich nicht in die Zellen eindringen. 

Was kann man tun, um sein Immunsystem zu stärken?
Johannes Huber:
 Es gibt das Hormon Vitamin D25. Das verbessert das Immunsystem und verhindert, dass es überschießend reagiert. Wenn man das zu sich nimmt, soll man ab und zu den Vitamin D-Spiegel kontrollieren lassen. Denn es wird oft nicht aufgenommen, vor allem, wenn man es nicht mit Öl einnimmt. Wenn Sie allerdings zu viel nehmen, dann kommen Sie in den toxischen Bereich. Der Wirkstoffspiegel sollte zwischen 40 und 50 Nanogramm liegen, damit es einen Schutz gegen Covid-19 gibt. 

Es ist auch die alte Hühnersuppe nicht uninteressant – vier Stunden gekocht. Warum? Weil Sie da Lysin haben. Lysin ist der Antagonist zum Arginin und das Covid-19 Virus bzw. jedes Virus braucht Arginin, um sich zu vermehren. Wenn man Lysin nimmt, wird das Arginin deaktiviert und das Virus hat keine Nahrung mehr. Es soll natürlich nicht der Eindruck entstehen, dass die Hühnersuppe ein Heilmittel gegen Covid-19 ist, aber sie ist sicher eine gute Präventionsmaßnahme. 

VONsociety: Foto des Zitats von Prof. DDr. Johannes Huber zum Thema Immunsystem: „Psyche und vegetatives Nervensystem haben enormen Einfluss auf das Immunsystem."

Und noch etwas: Natürlich haben die Psyche und das vegetative Nervensystem einen enormen Einfluss auf das Immunsystem. Ich war ja immer der Meinung, dass man erkrankt, wenn man eine Schwachstelle hat. Überforderung und nervliche Belastung sind Risikofaktoren, ähnlich wie Diabetes oder Bluthochdruck. Ich bin überzeugt, dass ein ausgeglichenes, friedvolles und glückliches Leben für das Immunsystem wichtig ist. In Kombination mit regelmäßigem Sport: Stichwort Endorphine. 

Anita Frauwallner: Beim Thema Stress kommen wir natürlich auch wieder zum Mikrobiom – es gibt sie, die Darm-Hirn-Achse. Negativer Stress hat gesundheitlich enorme Auswirkungen. Es gibt Leute, die haben wahnsinnig viel Stress und sind trotzdem lustig und gelassen. Es gibt andere, die haben die Hälfte davon und sind völlig überfordert. Heute wissen wir ganz genau: Das hat mit der Mikrobiota zu tun. Bestimmte Bakterien im Darm produzieren Butyrat. Dieses wird in den Blutkreislauf eingeschleust, und gelangt so auf direktem Weg ins Gehirn. Dort nährt es die Mikroglia, die Immunzellen des Gehirns! Und dies schützt uns vor einer Neuroinflammation, die Glückshormone können in ausreichender Menge produziert werden – und das heißt, Stress kann sich nicht so negativ auswirken. Mittlerweile gibt es seit 10 Jahren Forschungen auf diesem Gebiet, die mich wirklich begeistern! 

Sie haben vor mehr als 25 Jahren mit der Entwicklung von Multispezies-Probiotika begonnen. OMNi-BiOTiC 6 war das erste. Es hat einen überaus positiven Einfluss auf das Immunsystem. Was hat Sie dazu gebracht, sich mit Bakterien zu beschäftigen? 
Anita Frauwallner: OMNi-BiOTiC 6 habe ich eigentlich für meinen Sohn entwickelt. Er hatte schwere Neurodermitis. Wir wissen, dass ein nicht balanciertes Immunsystem die Hauptursache dafür ist. Ich danke heute noch dem Professor Rombouts von der Uni in Wageningen, der mir das erste Mal diese Zusammenhänge erklärt hat. Und er hat mir auch gesagt: „Anita, es ist nicht genug, irgendwelche Bakterien zu nehmen. Du musst die genau passenden suchen“.

Für OMNi-BiOTiC 6 habe ich 6 ganz unterschiedliche, aber speziell starke Bakterien-Leitkeimstämme aus- gesucht. Unter anderem solche, die den Organismus dazu anregen, Interleukin 10 zu produzieren. Dieser Botenstoff sorgt für die Balance des Immunsystems. 

Dieses Probiotikum haben viele Kinder mit Neurodermitis genommen. Und das Spannende war, dass es auch weitere positive Auswirkungen hat. Es kamen Mütter zu mir in die Apotheke und sagten: „Frau Magister Frauwallner, wie gibt es das? Mein Kind war in der kalten Jahreszeit ständig krank. Während des letzten Jahres hat es OMNi-BiOTiC 6 wegen der Neurodermitis genommen und es war den ganzen Winter nicht ein einziges Mal krank“.

Wir haben diesbezügliche Untersuchen gestartet und die Immunologen erklärten: Wenn der Mensch ein richtig funktionierendes Immunsystem hat, dann können Viren rechtzeitig ausgeschaltet werden, die versuchen, über die Schleimhäute im Rachenbereich in den Organismus einzudringen. Habe ich hier aber eine starke Abwehrschicht aus Bakterien, dann haben diese Krankheitsauslöser keine Chance, sich zu vermehren.

VONsociety: Foto des Zitats von Mag. Anita Frauwallner zum Thema Immunsystem "Mein Credo: Wir müssen über die richtigen Bakterien den Schutz der Schleimhäute optimieren."

Bei mir im Institut ist es so, dass jeder morgens und abends OMNi-BiOTiC gurgelt. Also nicht einfach nur schlucken, so wie wir das früher gemacht haben. Jetzt in Covid-Zeiten wird gegurgelt. Sie müssen versuchen, gerade die Eintrittspforten möglichst dicht zu machen. Und wenn unsere Leute das Gefühl haben, „Ohje, die Nase ist verstopft, da kommt ein Schnupfen“, dann werden diese Leitkeimstämme nicht einfach nur gegurgelt oder getrunken – sie werden dann auch durch die Nase aufgeschnupft. Mein Credo aus 25 Jahren Erfahrung: Wir müssen über die richtigen Bakterien den Schutz der Schleimhäute optimieren. Und dann hat man so wie ich eben keinen Schnupfen mehr. Das bringt eine andere Lebensqualität!

Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass Sie im Jänner eine Weltneuheit speziell für das Immunsystem auf den Markt gebracht haben.
Anita Frauwallner: Wir haben am Institut AllergoSan gemeinsam mit anerkannten Experten OMNi-BiOTiC Pro-Vi 5 entwickelt. 5 starke Bakterienstämme, jeder ein absoluter Profi, wurden – basierend auf ihren erstaunlichen und faszinierenden Eigenschaften – ausgewählt und mit Bedacht kombiniert. 5 Milliarden Keime gelangen bei jeder Einnahme in den Mund, den Rachen und den Darm. Ergänzt werden sie durch Vitamin D für die Aufrechterhaltung einer normalen Funktion des Immunsystems. Das macht OMNi-BiOTiC Pro-Vi 5 zum starken Partner, um die natürliche Abwehrkraft unseres Körpers zu unterstützen!

VONsociety: Produktfoto des Probiotikums OMNi-BiOTiC Pro-Vi 5 © Institut Allergosan
Die von Anita FRAUWALLNER gegründete Marke OMNi-BiOTiC® ist seit Jahren die Nummer 1 am österreichischen und deutschen Probiotika-Markt. Am Institut AllergoSan entwickelte sie gemeinsam mit anerkannten Experten OMNi-BiOTiC Pro-Vi 5.
5 Milliarden Keime sorgen gemeinsam mit Vitamin D für die Aufrechterhaltung einer normalen Funktion des Immunsystems und unterstützen die natürliche Abwehrkraft unseres Körpers
© Institut AllergoSan


Probiotika spielen also eine Schlüsselrolle in der Infektabwehr?
Anita Frauwallner:
 Für die Aufrechterhaltung der Darmbarriere spielen probiotische Bakterien die wesentlichste Rolle. Darüber hinaus sind sie in der Lage, die körpereigenen Immunzellen zu modulieren und manche von ihnen können sogar auf unterschiedlichste Art krankheitserregende Viren und andere Keime verdrängen und vernichten. Der häufigste Mechanismus, mit dem Bakterien tagtäglich Viren inaktivieren, ist das „Trapping“. Der Begriff „trapping“ bedeutet übersetzt „fangen“, und genau das passiert auch auf sämtlichen Schleimhäuten des Körpers – im Rachen, in der Lunge und im Darm: Ganz bestimmte Bakterienstämme können Viren an ihre Zelloberfläche binden, sie hier „festhalten“ und unschädlich machen. Andere Bakterien können die Vermehrung von Viren einschränken.

Ein besonders ausgeklügelter Mechanismus von probiotischen Bakterien ist die Blockade von Rezeptoren an der Oberfläche von Zellen, wodurch sie Viren daran hindern, an diesen Rezeptor anzudocken und in die Zelle zu gelangen, was der Virus benötigen würde, um sich zu vermehren – denn das kann er sonst nirgendwo im Körper!

Bakterien können also auch präventiv bei Erkältungen helfen bzw. zur natürlichen Bekämpfung von Krankheitserregern eingesetzt werden?
Anita Frauwallner: Warum hat man Erkältungen hauptsächlich im Winter? Das hängt mit der Trockenheit der Schleimhäute zusammen. Die Schleimschicht schützt die darunter liegenden Zellen davor, dass Viren oder Bakterien eindringen können. Ist der Schleim eingetrocknet, dann haben Sie diese Barriere nicht mehr. Also: in Wasser aktivierte probiotische Bakterien gurgeln, schnupfen, trinken, um vor allem in den Wintermonaten die Schleimhäute möglichst feucht zu halten. Die Wissenschaft untersucht diese Mechanismen derzeit sehr genau. Welche Metabolite werden von probiotischen Bakterien produziert, die andere Bakterien dazu anregen, Schleim zu bilden. Viele denken ja, Schleim entsteht von ganz allein. Weit gefehlt! Es sind ganz bestimmte Bakterien, welche die Schleimbildung im Darm genauso wie in der Nase oder im Rachen, aber auch in der Scheide vorantreiben. Auch für viele Ärzte ganz neues Wissen! 

Das klingt sehr spannend und logisch. Es setzt aber voraus, dass die Leute sich informieren, sich mehr mit ganzheitlichen Themen beschäftigen und überlegen, was die Ursache der Symptome ist, die sie haben.
Anita Frauwallner: In den letzten 100 Jahren hat die chemisch-pharmazeutische Industrie unser Denken zu Gesundheit und Krankheit stark beeinflusst. Menschen haben sich daran gewöhnt, einfach schnell eine Tablette zu schlucken, um nichts mehr zu spüren. Ich befürchte, dass dies nicht dazu beiträgt, dass wir wirklich gesund in ein hohes Alter kommen. Dafür ist es nicht ausreichend, Symptome mit chemischen Mitteln zu bekämpfen. Wir müssen die Ursache der Erkrankung finden. Selbst dann, wenn diese tief in unserem Inneren, nämlich im Darm liegt!

Ich bin überzeugt, dass sich im 21. Jahrhundert die Mikrobiom-Therapie durchsetzen wird. Das hat ein paar ganz wesentliche Gründe, und einer davon ist, dass die schlimmsten Nebenwirkungen, die wir von den Bakterien haben können, vielleicht am Beginn ein paar Blähungen oder Unregelmäßigkeiten beim Stuhlgang sind. Welch ein Unterschied zu chemischen Medikamenten! 

Sie scheinen ein besonderes Gefühl für Bakterien zu haben … 
Anita Frauwallner:
 (lacht) Absolut. Mir machen diese kleinen Lebewesen wirklich große Freude! Ich suche immer nach starken Bakterien, die optimale Arbeitsteams mit vielen anderen Artgenossen bilden – zum Nutzen für sich selbst, aber auch für uns Menschen, die ihnen Schutz und Futter geben. Aber – wir wollen nicht irgendwelche Mitläufer, wir wollen die Stars im Darm! Logisch, ganz oder gar nicht. Diese Stars muss man natürlich erst mal identifizieren. Das ist ein wesentlicher Teil unserer Arbeit. 

Wie lange dauert es, bis Ihre Probiotika wirken?
Anita Frauwallner: Ein Probiotikum lässt sich natürlich nicht mit chemischen Medikamenten vergleichen. Bakterien müssen sich zuerst im Darm vermehren, sie müssen Koalitionen finden und Teams bilden, mit denen sie zusammenarbeiten. Das dauert. Aber: Unsere Probiotika spürt man meist schon innerhalb einer Woche. Allerspätestens innerhalb von 4 Wochen. Dafür ernten wir international Bewunderung und werden als Kompetenzzentrum in der Mikrobiom-Forschung gesehen. Weil unsere Studien oft wegweisend sind. Wir konnten 2015 die beste hepatologische Studie weltweit vorlegen. Bei der American Liver Week wurde unsere Studie unter 10.000 eingereichten Arbeiten als die beste des Jahres ausgezeichnet. Und das von einem Unternehmen, das vor 25 Jahren von Graz aus gestartet ist, mit der Vision, all den großen Pharmakonzernen die unglaubliche Überlegenheit dieser winzig kleinen Bakterien zu beweisen. 

Gratuliere! Das ist eine tolle Auszeichnung für die Pionierarbeit, die Sie über 25 Jahre geleistet haben.  
Anita Frauwallner:
 Das motiviert natürlich. Es ist für mich auch besonders schön zu sehen, dass Kapazitäten wie Professor Huber erkennen, wo tatsächlich die Zukunft liegen könnte. Wir sind sehr oft gemeinsam bei Vorträgen oder Kongressen und sind überzeugt davon, dass ein ganzheitlicher Blick auf den Menschen notwendig ist. Dafür ist es wesentlich, und dafür bewundert man Professor Huber auch weltweit, sich als Gynäkologe nicht einfach auf Hormone zu konzentrieren, sondern auch zu sehen, dass Bakterien wesentlich daran beteiligt sind, welche Hormone gebildet werden. Und warum. Und dass man vielleicht diese Bakterien auch zuführen muss, wenn es nicht klappt mit einer Schwangerschaft.

ABOUT

Mag. Anita FRAUWALLNER
Die gebürtige Steirerin gründete vor fast 30 Jahren in Graz das Institut AllergoSan und spezialisierte sich auf die Entwicklung von Multispezies-Probiotika. Damals wurde sie belächelt. Heute gilt Anita Frauwallner international als die Expertin für Darmgesundheit. Sie ist eine gefragte Vortragende und ihr Institut gehört zu den weltweit führenden Kompenzzentren im Bereich der Mikrobiomforschung. Die von ihr gegründete Marke OMNi-BiOTiC® ist seit Jahren die Nummer 1 am österreichischen und deutschen Probiotika-Markt.
Ein besonderes Anliegen von Anita Frauwallner ist es, die Gesundheit der Menschen mit jenen Mitteln zu stärken, welche die Natur uns bereitgestellt hat – noch bevor Krankheiten entstehen.
Ihre Vision: All den großen Pharmakonzernen die unglaubliche Überlegenheit der winzig kleinen Bakterien zu beweisen.

Univ.-Prof. DDr. Johannes HUBER
Der Wiener Mediziner und Theologe ist eine Kapazität im Bereich der Fortpflanzungsmedizin. Schwerpunkte seiner Forschungs- und Publikationstätigkeit sind Frauengesundheit, Reproduktionsmedizin, Endokrinologie und interdisziplinäre Gynäkologie. Der „Hormonpapst“ erlangte große Bekanntheit durch Vorträge, Kurse und mehrere Bücher über Altersforschung bzw. Anti-Aging, Hormon- und Frauenmedizin sowie gesunde Lebensführung.Johannes Huber war Leiter der klinischen Abteilung für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Universität Wien bzw. der Medizinischen Universität Wien. Er war Vorsitzender der Bioethik-Kommission, sowie Mit- glied des Obersten Sanitätsrates und korrespondierendes Mitglied des Kuratoriums Alpbach. Professor Huber ist Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler wissenschaftlicher Organisationen.

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