SCHAUSPIELER IN DER KRISE – was gibt ihnen Kraft?
16. Mai 2020
Schauspieler in der Krise – seit acht Wochen befinden wir uns im Corona-Ausnahmezustand. Nach dem totalen Lockdown werden die Maßnahmen zwar step by step gelockert, aber für Künstler heißt es nach wie vor warten: Erst ab Ende Mai soll der Kulturbetrieb stufenweise hochgefahren werden.
ANDREA HARRIS hat bei bekannten Schauspielerinnen und Schauspielern nachgefragt, wie es ihnen in der Krise geht und wie sie die herausfordernde Zeit meistern.
NICOLE BEUTLER
Ihre Karriere startete die in klassischem Ballett ausgebildete Nicole Beutler am Theater in der Josefstadt. Sie hat seit 1990 durchgehend Engagements an deutschen und österreichischen Bühnen. Darüber hinaus wirkte sie in zahlreichen deutschsprachigen und internationalen Film- und Fernsehproduktionen mit und spielte u.a. an der Seite von John Malkovich und Catherine Deneuve.
Seit 2016 ist sie auch in der erfolgreichen ORF-Serie Vorstadtweiber als Sexualtherapeutin Barbara Bragana zu sehen.
Nicole Beutler gab 2008 ihr Debüt als Chanson-Sängerin. In den Liederabenden mit den Wiener Theatermusikern spannt sie sehr erfolgreich den Bogen von Wien nach Paris – von Greta Keller bis Juliette Greco.
• Wie geht es Ihnen, was sind derzeit Ihre größten Sorgen und Herausforderungen?
Mir geht es gut, danke. Ich denke viel nach über diese sonderbare Zeit und versuche, mir meine positive Grundeinstellung zu bewahren. Da ich sehr gut alleine sein kann, habe ich mit dem Lockdown an sich weniger Probleme als viele andere. Aber wie soll es „danach“ weitergehen? Werden die Menschen etwas gelernt haben? Wird sich die Wirtschaft erholen können?
• Woran hatten Sie vor der Krise gearbeitet – welche Projekte liegen auf Eis?
Ich habe an einem Filmprojekt in Deutschland gearbeitet, das jetzt mehrfach verschoben wurde. Die Dreharbeiten sind nun ab Juni geplant. Alle Lesungen und Chansonkonzerte sind abgesagt oder auf unbestimmt verschoben.
• Wie motivieren Sie sich und was lässt Sie den Humor nicht verlieren?
Ich bin ein positiv denkender Mensch, lebe sehr im Moment und meditiere viel. Im Moment zu leben ist gerade jetzt so hilfreich, da man dann der Angst, die allerorts verbreitet wird, keinen Raum geben kann.
• Was gibt Ihnen Kraft, was nimmt Kraft?
Kraft gibt mir der Zusammenhalt mit meinem Mann, meiner Familie, die Spaziergänge mit meinem Hund, Literatur und Meditation.
Kraft nimmt mir: Wie die Kulturschaffenden in diesem für seine Kultur so gerühmten Land Österreich derzeit behandelt werden. Niemand spricht mit uns, man ließ uns lang völlig im Ungewissen, wann wir wieder arbeiten dürfen. Kultur wird als „nicht systemrelevant“ eingestuft. Dass aber in der Zeit des Lockdowns die Kulturschaffenden es waren, die den Menschen daheim Freude bereitet haben, die Zeit erfüllt haben mit Filmen/TV/Netflix/Musik usw., daran denkt offenbar in der Politik niemand!
• Was haben Sie in den letzten Wochen getan, das Sie schon längst hätten tun wollen?
Geputzt und viele Bücher gelesen.
• Welchen positiven Aspekt können Sie der Corona-Krise abgewinnen, was haben Sie daraus gelernt?
Dankbarkeit. Für die kleinen Dinge im Leben. Nichts darf einem selbstverständlich sein.
• Gibt es etwas, das Sie an dieser Stelle gerne loswerden möchten?
Ja, an die Politik: Redet endlich mit uns Kulturschaffenden! Behandelt uns nicht wie Bittsteller! Kultur ist nur im positivsten Sinne ansteckend.
MICHOU FRIESZ
Michou Friesz begann ebenfalls am Theater und war am Anfang ihrer Karriere vor allem im Schauspielhaus in Wien und am Schiller-Theater in Berlin tätig.
Seit dem Anfang der 1990er spielte sie in zahlreichen Film- und Theater-Produktionen in Österreich und Deutschland mit und ist bekannt aus zahlreichen Tatort-Serien und den beliebten Polt-Kriminalfilmen, die auf den Romanen von Alfred Komarek basieren. Sie arbeitete mit namhaften Regisseuren wie Marlene Streeruwitz, Hans Gratzer, Otto Schenk und Robert Dornhelm zusammen.
2009 hat Michou Friesz gemeinsam mit anderen österreichischen Filmschaffenden die Akademie des Österreichischen Films gegründet.
• Wie geht es Ihnen, was sind derzeit Ihre größten Sorgen und Herausforderungen?
Danke, es geht mir … gut! Meine Sorge gilt dem ganzen Kulturbetrieb in diesem Land, all denen, die freiberuflich arbeiten und jetzt im Stich gelassen werden.
Eine Herausforderung für mich ist, dass meine Tochter Marie in Berlin lebt und ich nicht weiß, wann ich sie wiedersehe.
• Woran hatten Sie vor der Krise gearbeitet – welche Projekte liegen auf Eis?
Vor der Krise habe ich mit dem Elektronikmusiker Joachim Roedelius,
mit dem ich schon oft auf seinem Festival more ohr less aufgetreten bin, eine Platte aufgenommen: Er improvisiert am Klavier, und ich lese aus seinen Liedertexten.
Eigentlich sollte ich jetzt in München einen Fernsehfilm drehen, er wurde verschoben, und es gibt noch keinen neuen Drehtermin.
• Wie motivieren Sie sich und was lässt Sie den Humor nicht verlieren?
Was mich im Moment am meisten motiviert, ist Yoga und Meditation, das gibt mir Kraft, und lässt mich bei mir bleiben.
Meinen Humor und meine Leichtigkeit verliere ich sowieso nicht.
• Was gibt Ihnen Kraft, was nimmt Kraft?
Kraft geben mir meine Freunde und meine Familie, es ist jetzt ganz wichtig sie zu haben.
Kraft nehmen mir Verschwörungstheorien und die ewige Fachsimpelei über die Pandemie, daran beteilige ich mich ganz bewusst erst gar nicht.
• Was haben Sie in den letzten Wochen getan, das Sie schon längst hätten tun wollen?
Was ich schon immer hätte tun sollen: TÄGLICH Yoga oder meditieren, am besten beides!
• Welchen positiven Aspekt können Sie der Corona-Krise abgewinnen, was haben Sie daraus gelernt?
Der positive Aspekt der ersten 6 Wochen der Krise war, dass ich bei meinen Freunden am Land sein durfte.
Ich bin aber auch wirklich krisenresistent und konnte mich gut einbringen.
• Gibt es etwas, das Sie an dieser Stelle gerne loswerden möchten?
Ich hoffe auf Entschleunigung, auf Besinnen auf das Wesentliche … SPREAD LOVE
Konstanze Breitebner
Konstanze Breitebner begann ihre Laufbahn am Wiener Ensemble Theater. Nach Engagements in Bonn und Frankfurt kehrte sie wieder nach Wien zurück. Sie wirkte auch in vielen Kino- und Fernsehfilmen mit und war im TV u.a. in Der Salzbaron und der erfolgreichen Serien wie Julia – Eine ungewöhnliche Frau und Schlosshotel Orth zu sehen. Konstanze Breitebner profilierte sich als Drehbuchautorin für ORF und ARD und hat in den vergangenen Jahren immer wieder hochkarätige Galas moderiert.
Eine Herzensangelegenheit ist ihr die jährliche Begrüßung der internationalen Delegation am Gedenktag im KZ Mauthausen. Aufgrund der Corona-Krise gab es heuer eine virtuelle Gedenkfeier, die im Studio gedreht wurde und am 10. Mai auf ORF III zu sehen war.
• Wie geht es Ihnen, was sind derzeit Ihre größten Sorgen und Herausforderungen?
Danke, es geht mir gut und meinen Lieben auch, was mir in den letzten Wochen immer wichtig war. Am schwersten finde ich, ist es, mit dieser Ungewissheit umzugehen.
Keiner weiß, wie es wirklich weitergehen wird, wir haben so etwas noch nie erlebt, wann wird es einen Impfstoff geben, wann können wir SchauspielerInnen wieder arbeiten … manchmal wird mein Mut kleiner und ich muss mir meine Angst ganz konkret anschauen.
• Woran hatten Sie vor der Krise gearbeitet – welche Projekte liegen auf Eis?
Ich hätte im Juli ein Programm mit Musikern präsentiert … ist verschoben. Ich arbeite an den Texten weiter. Unsere Regierung muss sich den Künstlern und Kulturarbeiterinnen zuwenden und sie finanziell auffangen. Sonst erfrieren die „Auf Eis Gelegten“!
Das kann sich Österreich als Kulturnation nicht leisten.
• Wie motivieren Sie sich und was lässt Sie den Humor nicht verlieren?
Mein zweites, berufliches Standbein – die Drehbuchautorin ist hochmotiviert – hat zwei konkrete Stoffe am Schreibtisch. Das heißt: viel arbeiten.
Der Austausch mit lieben Freundinnen macht mich zuversichtlich. Gerade gestern Abend konnte ich so herzlich lachen. Auch wenn nicht alles so lustig ist, wir geben einander gegenseitig Kraft.
• Was gibt Ihnen Kraft, was nimmt Kraft?
Kraft nimmt mir oberflächliches, leeres Gerede der Politiker und Politikerinnen. Als Schauspielerin „spüre“ ich gecoachte, nicht authentische Sätze. Das ist unmenschlich und unprofessionell.
• Was haben Sie in den letzten Wochen getan, das Sie schon längst hätten tun wollen?
Zu Rauchen aufgehört …
• Welchen positiven Aspekt können Sie der Corona-Krise abgewinnen, was haben Sie daraus gelernt?
Ich hatte viel mehr Zeit mit meinem Mann – das hat wirklich gutgetan. Zeit für Gespräche, Zeit fürs gemeinsame Nachdenken und Planen.
Und ich habe meine Tochter so oft, wie die letzten Jahre nicht, gesehen. Das ist Glück.
• Gibt es etwas, das Sie an dieser Stelle gerne loswerden möchten?
Dass alles wieder so werden soll, wie früher, ist für mich eine gefährliche Drohung. Ich hoffe so sehr, dass wir mit der Umwelt anders umgehen werden, dass Klimaschutz-Maßnahmen selbstverständliche Bedingung für den Neustart und das wieder Hochfahren werden … dass wir weltweit vorsichtiger und aufmerksamer mit dieser, unserer einzigen Welt umgehen werden.
Manuel Rubey
Der Sänger, Schauspieler und Kabarettist Manuel Rubey absolvierte seine Ausbildung an der Schauspielschule Krauss und spielte u.a. am Landestheater Linz und im Rabehof Thater in Wien. Er war Mitbegründer, Sänger und Frontman der Rockband Mondscheiner.
Bekannt wurde er durch die Titelrolle im Kinofilm Falco – Verdammt, wir leben noch. Er war an der Seite von Karl Merkatz in dem Kinofilm zur erfolgreichen Fernsehserie Ein echter Wiener geht nicht unter zu sehen. Außerdem stand er bei der Serien Braunschlag und Altes Geld vor der Kamera.
Manuel Rubey feiert seit 2011 auch als Kabarettist Erfolge und präsentierte im vergangenen Jänner sein erstes Soloprogramm Goldfisch.
• Wie geht es Ihnen, was sind derzeit Ihre größten Sorgen und Herausforderungen?
Es geht mir soweit gut. Danke der Nachfrage. Meine größte Sorge ist die Ungewissheit, wann ich meinen Beruf wieder werde ausüben dürfen.
• Woran hatten Sie vor der Krise gearbeitet – welche Projekte liegen auf Eis?
Ich hatte gerade mein Soloprogramm GOLDFISCH herausgebracht und musste bis dato 35 Vorstellungen absagen (verschieben). Zwei geplante Filme wurden ebenfalls auf unbestimmte Zeit verschoben.
• Wie motivieren Sie sich und was lässt Sie den Humor nicht verlieren?
Meine Töchter und dass ich viel Zeit mit ihnen gewonnen habe.
• Was gibt Ihnen Kraft, was nimmt Kraft?
Ich gehe viel spazieren und lese stundenlang.
Die fehlende Struktur im Tag und die Unklarheit.
• Was haben Sie in den letzten Wochen getan, das Sie schon längst hätten tun wollen?
Ich schreibe viel, ich habe wieder angefangen italienisch zu lernen und ich habe Setzlinge gezogen.
• Welchen positiven Aspekt können Sie der Corona-Krise abgewinnen, was haben Sie daraus gelernt?
Dass wir nur das Hier und Jetzt haben. Das wussten wir vorher schon, aber so drastisch spürt man das erst jetzt. Und man sollte den Menschen, die einem etwas bedeuten, dies öfters sagen.
• Gibt es etwas, das Sie an dieser Stelle gerne loswerden möchten?
Österreich ist eine Kulturnation. Solange die Touristen nach Österreich kommen sieht man das. Im Moment scheint das von der Politik vergessen worden zu sein.