Michil-Costa-Portrait

MICHIL COSTA: „Es geht um Freude, um die Legerezza, bei allem, was wir tun.“


2. Dezember 2020

MICHIL COSTA im Interview: Der Südtiroler Hotelier sprach mit UTA GRUENBERGER über die Schönheit der Berge, seine Verantwortung als Gastgeber, den Stellenwert der täglichen Freude und sein besonderes Engagement „für Menschen, die einfach weniger Glück im Leben haben.“

Auf Ihrer La Perla Website gibt es als Opening jeden Tag einen neuen Blog-Eintrag – eigene Gedanken, Zitate, Perlen von Literaten, Musikern, Künstlern. Da sprüht sehr viel Fröhlichkeit entgegen … 
Zunächst einmal: Ich bin ein sehr glücklicher Mensch. Ich habe unglaubliches Glück gehabt, hier in den Dolomiten leben zu können. Wäre ich als Frau in Afghanistan geboren, würde mein Leben anders aussehen. Jeden Morgen nehme ich meine erste Tasse Tee im Freien ein, schau’ mir die Berge an und versuche, diese Schönheit maximal auszukosten. 

Michil Costa genießt jeden Tag seine erste Tasse Tee im Freien und kostet die Schönheit der Berge maximal aus ©Uta Gruenberger

Als Gastgeber darf ich die vielleicht wichtigste Zeit meiner Gäste, nämlich ihren Urlaub gestalten und genau diese Schönheit mit ihnen teilen. Das ist ein wirkliches Privileg, dessen bin ich mir sehr bewusst. Tag für Tag kann ich als Hotelier hier eine Welt kreieren, in der es allen gut geht. Auch mir selber, damit ich geben, teilen kann. Dieses Prinzip gilt immer und für alle Menschen.

Und ich muss dabei stets an den Schwächsten denken, das ist die Pflicht für mich als Unternehmer dieser Welt. Ich muss schauen, dass unser Spüler aus Serbien gut über die Runden kommt. Das ist meine Verantwortung. 

Ein vielzitiertes Wort … 
In der Tat, ebenso wie die Nachhaltigkeit – ich kann’s schon kaum mehr hören. Wir reden immer so groß von der Verantwortung und dabei bedeutet das Wort zunächst ganz wortwörtlich: Antworten geben. 

Also gestaltet ein Mitarbeiter mit mir diesen Blog, in dem wir unsere Haltung und unsere Blickweise formulieren. Und uns Gedanken machen, über das, was im Werden ist. Wohin sich die Welt entwickelt. Damit verkauft man kein Zimmer mehr, im Gegenteil, es heißt oft, unsere Website sei zu wenig User-freundlich. Aber das ist vielleicht ein Stück Kultur und in diesen faszinierenden Covid-Zeiten bräuchten wir neben Ärzten und Virologen, viel mehr Psychologen und Philosophen und ja – Kultur, die Schönheit und Leichtigkeit kommuniziert. 

„Wir sollten über die neuen Chancen der Welt nachdenken“, meint Michil Costa. „Und zwar nicht nur mit dem Intellekt, sondern aus dem Herzen, mit Freude.“ ©Uta Gruenberger

Das Corona-Virus ist auch nicht die Strafe Gottes, wie die Leute hier im Tal sagen, sondern gehört auf den richtigen Platz gesetzt. Natürlich ist es sehr, sehr ernst zu nehmen, aber langfristig hat Covid auf diesem Planeten genauso seinen Platz wie die Lärchen in den Wäldern. Es ist sinnlos, sich dagegen zu wehren. Und erst recht kein Anlass, traurig und depressiv zu werden, geschweige denn sich vom Negativen überrumpeln zu lassen, denn es ist sowieso immer stärker als das Positive. Das Negative füttert sich von selbst. 
Wir sollten lieber über die neuen Chancen für die Welt nachdenken. Und zwar nicht nur mit dem Intellekt, sondern aus dem Herzen, mit Freude. Uns inspirieren lassen. Die Inspiration ist unser höchstes Gut als Human Beings und „Freude ist Praxis“, sagte schon Aristoteles. 

Apropos Praxis und Praktisches, in ihrem Bruder Mathias scheinen Sie ja ein wunderbares Gegenüber für eine ganzheitliche Hotelführung zu haben?
Ja, in der Tat! Mathias ist drei Jahre jünger und kümmert sich um alle Logistik, um die Hardware sozusagen. Und im Winter um das Après Ski in unserer Mühle, der L’Moulin. Er ist ein sehr gutmütiger Mensch und sucht stets Frieden und Liebe. Ich dagegen streite gerne, bin der Radikale, der Revoluzzer, oft auch ein Esel oder Bock, der dauernd Leserbriefe schreibt, obwohl mein Bruder sagt: Könntest Du nicht einfach mal nichts dazu sagen?“ Denn Freunde mach’ ich uns damit nicht in der Politik. (lacht) .

Bruder Mathias ist begeisterter Radfahrer und in den Betrieben für Logistik und Hardware zuständig ©La Perla

Da hat er dann meistens auch meine Frau Joe auf seiner Seite. Sie ist ein phantastischer Mensch und hat ebenfalls diese Geduld und Ausgeglichenheit. 

Auf die Art haben wir jedenfalls ein ideales Zusammenspiel und wenn ich bei meiner Familie eine neue Idee durchgesetzt habe, dann weiß ich, dass es nicht nur eine Vision ist, mit der man besser zum Arzt geht, wie Franz Kafka zu sagen pflegte. (lacht) 

Liefen die drei Hotels, Ladinia, La Perla und die Posta Marcucci von Anfang an so harmonisch im Familienverbund? 
Also zunächst wollte ich ja alles, nur nicht Gastronom wie meine Eltern werden. Jahrelang war ich fast fanatischer Extremsportler und habe wirklich alles ausprobiert. Die schnellsten Autos und Motorräder, Fallschirmspringen, Sport-Klettern, Tauchen bis zu sechzig Metern. Aber irgendwie hat mich das Körperliche allein nicht glücklich gemacht. Also befasste ich mich auch mit der Seele. Und stellen Sie sich vor, es ging mir prompt besser. (lacht)

Ich habe mich auch intensiv mit dem Buddhismus auseinandergesetzt. Bin zwar kein Buddhist geworden, aber wir haben oft den Dalai Lama und auch seine Schwester für unser tibetisches Schulprojekt in Indien getroffen. (Michil Costa trägt das Wahrzeichen der „Children Villages“ als Armband aus gewobenem Yak-Fell).

VONsociety: Gruppenbild der Costa Familie v.l.n.r. Michil Costa, seine Frau Joe Pedrollo, Anni und Ernesto Costa, Petra und Mathias Costa
Michil Costa mit seiner Frau Joe Pedrollo, Anni und Ernesto Costa,
sowie Petra mit ihrem Mann Mathias Costa ©Costa Family Foundation

Aber zurück zu unserem Führungsstil. Wir hatten erst vor drei Tagen eine Sitzung mit unseren drei Direktorinnen und ich fragte, ob wir Brüder nicht mal ein Organigramm unserer Funktionen erstellen sollten. Aber nein, sie meinten, das brauchen wir nicht, denn die Arbeitsaufteilung ist irgendwie nie ein Problem.

Da gibt es ja dann auch noch die Frau Mama … 
Oh ja, die Mami ist mittlerweile 84 Jahre, topfit, und sie gestaltet mit ihrem Mitarbeiter Stephan noch immer tagtäglich sämtliche Blumen-Dekorationen in den beiden Hotels hier in Corvara. Jeden Morgen sind ihre Kreationen auch mein erster Blick auf dem Rundgang durch die Häuser – meine tägliche Freude. 

Die 84-jährige Mutter von Michil Costa gestaltet tagtäglich alle Blumen-Dekorationen in den beiden Hotels ©Uta Gruenberger

Denn ansonsten sehe und spüre ich auch überall sofort, was nicht stimmt. Wenn der Kellner nicht lächelt oder der Aufzug nicht blitzt oder der Kaffee nicht gut genug ist … ob das ein Vorteil ist? Da bin ich mir nicht sicher, umso mehr ich bewusst extrem viel delegiere und jedem Mitarbeiter seine Verantwortung gebe. Wirklich entspannt, bin ich in meinen eigenen Hotels irgendwie nicht. 

Und wenn Sie woanders zu Gast sind oder wohnen? 
Bemühe ich mich, weniger auf die Details, denn auf das Gesamt-Ambiente zu achten. Aber ich denke, diesen Filter-Blick habe ich von meiner Mutter geerbt, den kann man nicht einfach abstellen. (lacht) 

Auf Ihrer Homepage schreiben Sie auch, dass die Faszination Ihrer Häuser von dem bestimmt wird, was es nicht gibt …? 
Ja, keinen Prosecco zum Beispiel. Sehen Sie, das Herkunftsgebiet von Prosecco, gleich hier Richtung Süden, in Venetien, ist eine stark vergiftete Monokultur, die mit extrem viel Glyphosat auf Masse produziert. Es war fast Ironie, dass diese Region zum UNESCO Gebiet erklärt wurde. Jedenfalls habe ich daraufhin den Prosecco aus unseren Hotels verbannt. Und klar, kommt dann der Barkeeper und sorgt sich um unseren Gast Herrn Maier aus Baden-Baden, der immer seine Flasche Prosecco bestellt. Aber unterm Strich sind es nicht sehr viele, die deswegen nicht mehr kommen. Das ist das eben unser Risiko. (lacht) 

Ihre WOW Aktion zur Wiederaufforstung der zerstörten Wälder in den Dolomiten war auch eine Antwort? 
Eine sehr spontane Antwort nach dem Desaster von zerstörten Baumkulturen, die dieser gewaltige Sturm im Oktober 2019 hier und in Venetien hinterlassen hatte. Die Initiative kam sehr gut an, weil unsere Gäste die Möglichkeit hatten, einen Baum nicht nur als Paten zu kaufen, sondern ihn auch selber zu pflanzen. Selber Hand anlegen in der Natur, geht viel tiefer. Ja und dann wird das ganze Projekt von der Universität in Padua begleitet. Wir beobachten quasi gemeinsam den Wald. 

Michil Costa hat die Costa Family Foundation ins Leben gerufen. Gemeinsam mit seiner Frau Joe und einem engagierten Team kümmert er sich „um jene Menschen, die nicht so viel Glück im Leben haben.“ ©Costa Family Foundation

Und Uganda, Afghanistan – Ihre Projekte dort laufen ebenso weiter? 
Oh ja, unser Stofftaschen aus Uganda verkaufen sich sogar in den teuren Shops von Venedig richtig gut – wie ich kürzlich erst selbst entdeckt habe. Und darf ich Ihnen kurz über Afghanistan erzählen? Da bin ich nämlich wirklich stolz drauf. (lacht).
Also wir haben dort mit zwölf Frauen zusammen eine Safran Plantage gegründet. Es ist schon das zweite Jahr und der Safran kommt sehr gut an. Mit dem Erlös refinanzieren wir das Projekt. Aber das Schönste ist, die Frauen haben eine solche Freude. Nicht nur an diesen winzigen Safran-Blüten. Sie fühlen sich plötzlich gebraucht und nützlich. In Ihrem Land sind sie ja weniger wert als Dromedare. Dabei sind die Frauen die Säule der Gesellschaft! Euch Frauen sollte man mindestens 50 % des Recovery Fonds überlassen. Ihr habt die Sensibilität und die Intelligenz und seid rational, wenn es sein muss. Ihr gebt das Leben, nicht wir Männer. Also ich bin überzeugter Feminist.

Und Freude scheint in der Tat Ihre Mission zu sein, Herr Costa? 
Sehen Sie, am Ende des Tages kommt es darauf an, dass alle Menschen, die mit unserem Hotel zu tun haben, vom Gast bis zum Mitarbeiter, bis zum Lieferanten, Freude haben.  

Was immer wir tun und anpacken, das ist unsere Maxime und daneben bewerten wir alles auch gnadenlos nach unserer sogenannten Gemeinwohl-Bilanz. Wir vergeben Punkte für die Ökonomie, ökologische Nachhaltigkeit, innerbetriebliche Demokratie, soziale Gerechtigkeit usw. Und dann muss das Ergebnis stimmig sein.

Ich persönlich sage immer, um ein Hotel zu führen, braucht es nicht Leidenschaft, sondern Leichtigkeit. Es geht nicht um Leiden, sondern um Freude, um die Legerezza – bei allem, was wir tun. Denn all unsere Aktionen sind einmalig, so wie jeder Tag einzigartig ist. Das macht die Schönheit von uns Menschen aus. Davon möchte ich künden.

COSTA FAMILY FOUNDATION
Gegründet 2007 von Michil Costa und seiner Frau Joe, kümmert sich die Costa Family Foundation um Menschen, „die einfach weniger Glück im Leben“ haben.
Es begann mit dem „Haus Nr. 13“ in Dharamsala, einem Zuhause für 32 tibetische Kinder, und ging weiter mit einem Schulprojekt in Togo, Afrika.
In Uganda startete die Stiftung eine Frauen-Initiative, die mittlerweile recht erfolgreich Stoff- und Ledertaschen für den Benefiz-Vertrieb in Italien fabriziert.
In Afghanistan aktivierte die Foundation eine Safran-Plantage, ebenfalls unter der Regie von Frauen.
Die Lum Ha’ Ranch, am Fuße der Berge von Chichihuistán beginnt mit der Reanimierung einer verlassenen Landwirtschaft. Die Gegend gilt als eine der ärmsten des Landes. Unkontrollierte Abholzung, Umweltverschmutzung und die Vernachlässigung von Nutzpflanzen haben katastrophale Spuren hinterlassen. Im Kleinen wird hier nun mit ökologischer Wieder-Aufforstung, Wasser-Reinigung, der generellen Re-Naturierung wie auch Bildungs-Projekten begonnen.

Im Kleinen wird am Fuße der Berge von Chichihuistán in Mexiko mit der ökologischen Wieder-Aufforstung, Wasser-Reinigung, der generellen Re-Naturierung und mit Bildungsprojekten begonnen ©CostaFamilyFoundation

Infos zum Berghotel Ladinia finden Sie HIER

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