Fred Adlmüller – gefeierter Modeschöpfer: SEINERZEIT #2
23. April 2020
FRED ADLMÜLLER – gefeierter Modeschöpfer, Couturier, Hofrat und Professor:
Wir blicken zurück und bringen ein Interview, das Helga Konlechner für das VON Magazine im Herbst 1984 führt.
Und wir zeigen Fotos von der Modegala anlässlich des 75. Geburtstags des Wiener Modezars. Mit ihm feierte eine erlesene Gästeschar, u.a. Prinzessin Marie-Christine von Bourbon-Parma, Gunter Sachs, Prinzessin Carla-Maria Romanow, Lotte Tobisch, damals noch Jung-Schauspieler Alfos Haider und Leo Wallner.
EIN LEBEN FÜR DIE MODE
„Bitte nicht ungehalten sein“, sagt die freundliche Verkaufsdame in dem eleganten Geschäft auf der Kärntner Straße, „nehmen Sie einstweilen hier Platz, ich muss den Herrn Hofrat suchen.“
Ungehalten bin ich ganz und gar nicht, denn ich probiere in der Zwischenzeit zauberhafte, regenbogenfarbene Marabujäckchen, lege mir vor den großen Spiegeln kostbare Chanel-Kostüme an und genieße die vornehme Gepflegtheit des Raumes.
Vom weichen Teppichboden über die kleinen Mamortischchen bis zu den Sitzbänken ist alles in Crème und Gold gehalten, einziger Farbfleck sind Fotos mit prächtigen Abendkleidern aus der „Dezember-VON“, die im Goldrahmen in den Fensternischen stehen, und bunte Fliedersträuße auf den Köpfen zweier Porzellanhunde, die ernst und würdig einen Türbogen umrahmen.
Farben und Eleganz spielen die größte Rolle im Leben Fred Adlmüllers. Auch das Arbeitszimmer des Modeschöpfers im ersten Stock seines Palais, das ich wenig später betrete, drückt dies Vorliebe aus. Dunkelgrüne Wände, Stuckdecke, schöne alte Nussmöbel und das Familienwappen an der Wand.
Schöne Dinge wollte ich schon immer um mich haben
Ein richtiger Österreicher ist er ja eigentlich nicht. Die Familie stammt zwar aus der Gegend von Wels, geriet aber 1570, in der Zeit der Religionskriege, nach Süddeutschland und Fred Adlmüller kam in Nürnberg als Sohn eines Hoteliers zur Welt.
Seine Kindheit verlief harmonisch und behütet. Bis zu dem Tag, an dem seine geliebte Mutter ganz plötzlich starb.
„Das war ein furchtbarer Schlag für mich, ich war damals 15 und habe noch am Vortag des schrecklichen Ereignisses mit ihr vergnügt Walzer getanzt“ – die Erschütterung steht ihm heute noch, nach so vielen Jahren, ins Gesicht geschrieben.
Zur Schule ging der junge Mann in Grünwald bei München und nichts deutete auf seine spätere Karriere hin. Im Gegenteil, er sollte einmal das Hotel seines Vaters übernehmen und erlernte auch diesen Beruf. Ende der 1920er Jahre traf man ihn als Volontär in den noblen „Vier Jahreszeiten“, wo ihn besonders das Kochen faszinierte.
„Diese Leidenschaft ist mir geblieben“, schmunzelt Fred Adlmüller. Heute noch geht er so oft er kann selbst einkaufen, besonders gern am Naschmarkt und legt größten Wert auf zartes junges Gemüse, erstklassiges Fleisch und frisches Obst. Zu Hause sorgt seit vielen Jahren eine Haushälterin für sein leibliches Wohl. An machen Sonntagen aber kann es auch vorkommen, dass der Herr Hofrat selbst am Herd steht und sich einen butterweichen Tafelspitz zubereitet. In Lokalen bevorzugt er die leichte, schmackhafte Küche und in Wien zählt die „Rotisserie Prinz Eugen im Hilton“ mit ihrem Chefkoch Walter Matt zu seinen Lieblingsrestaurants.
Damals aber, am Ende seiner Ausbildung, wurde dem Hotelierssohn klar, dass seine eigentliche Begabung in eine andere Richtung drängte. Sein Interesse an Mode, Formen und Farben wurde immer größer. Mit Mutter und Schwestern war er zwar immer schon gerne Kleidung einkaufen gegangen. Jetzt wollte er mehr tun als auswählen. Die nächste Station war Wien.
Dabei bin ich unter den Modeschöpfern ein Unikum – ich kann nicht einmal einen Knopf annähen. Der Meisterbrief wurde mir ehrenhalber verliehen.
Fred Adlmüller arbeitete sich in die Modebranche ein. Auf der Kärntner Straße, wo heute die Firma Boecker steht, befand sich das Modehaus Ludwig Zwieback & Bruder. Der junge Mann trat dort ein, lernte dekorieren, Stoffe auswählen und Stil und Accessoires eines Kleides auf die Trägerin abzustimmen.
Sein besonderer Sinn für Farben und sein Gefühl für die Beziehung zwischen Kleid und Modell fielen rasch auf. „Blonden Frauen empfehle ich am liebsten Pastellfarben. Rothaarigen zum Beispiel keine Kontrastnuancen, sondern Stoffe Ton in Ton zu ihrem Haar“, verrät mir der Meister.
Der nächste Schritt, sich selbständig zu machen, erfolgte nach dem Krieg. Heuer (Anm.: 1984) sind es 52 Jahre, dass Fred Adlmüller im selben Haus ist. Sein ganz persönlicher Stil – elegant und damenhaft, aber immer sehr modisch – begann sich herumzusprechen. Gefeierte Opernsängerinnen wie Ljuba Welitsch oder Lisa della Casa ließen beim ihm arbeiten. Ausstattungen für Film und Bühne folgten. Zum Beispiel „Wiener Mädeln“ von Willi Forst oder „Arabella“ zur Eröffnung der Münchner Festwochen. Bald war die Prominenz, von Frauenkenner Curd Jürgens bis Hollywoods Klatschtante Elsa Maxwell, einig: in Wien kann man nur bei Adlmüller einkaufen.
„Beim diesjährigen Opernball“, sinniert der Modefachmann, dem man sein Alter ganz und gar nicht ansieht, „habe ich die Enkelinnen jener Damen eingekleidet, die sich vor 50 Jahren von mir beraten ließen“.
Das ist sicher nicht einfach, über drei Generationen immer wieder Kreationen zu schaffen, die den internationalen Trends entsprechen und ins Wienerische übertragen werden müssen. Aber anscheinend ist das eine Tätigkeit, die jung und elastisch hält.
Eiserne Disziplin und viel Fleiß gehören aber auch dazu. Fred Adlmüller steht jeden Tag um sechs Uhr früh auf, um sieben Uhr wird gefrühstückt. Er ist der erste in seinem Geschäft. Da kann er dann in Ruhe in den drei riesengroßen Studioräumen all das, was er von seinen vielen Reisen aus Paris, Italien und den Vereinigten Staaten mitgebracht hat, auswählen und zusammenstellen.
„Jede Ansteckblume, jeder Knopf, jede Gürtelschnalle ist durch meine Hände gegangen und es wird kein Kleid verkauft, von dem ich nicht alles bis auf den Reißverschluss kenne.“ Darauf ist der Meister stolz.
Ein besonderes Anliegen sind ihm auch die inzwischen berühmten Auslagen seines Salons. Die 11 Fenster werden zweimal pro Woche geändert. Neben den Schaufenstern der k.u.k. Hofzuckerbäckerei Demel am Kohlmarkt gehören sie zu den wirklich auserwählten Gustostückerln heimischer Phantasie.
Bei so viel anstrengender geistiger und körperlicher Arbeit muss einmal im Jahr ausgiebig Urlaub gemacht werden. „Das ist immer wieder Südfrankreich“, sagt der Modeschöpfer. „Die Farbenpracht der Riviera inspiriert mich und dort kann ich mich wirklich ausruhen und neue Kräfte für die harte Herbst- und Winterarbeit sammeln.“
Wenn er auf Reisen geht, nach Paris, wo die Firma ein eigenes Büro hat und wo es vor drei Jahren eine „Fred-Adlmüller-Ausstellung“ gegeben hat, oder nach New York, wo die Mode von Jahr zu Jahr besser wird, sitzt er drei bis vier Tage hintereinander im Haus, um alles zu koordinieren und einzuteilen. Da wird nicht zu Mittag gegessen und keine Pause gemacht.
Planung scheint ihm am allerwichtigsten zu sein. Und diese geniale Mischung von disziplinierter, harter Arbeit und kreativer Phantasie dürfte auch mit ein Grund für den Erfolg Fred Adlmüllers sein, dessen diesjährige Modeschau „L’heure surprise“ wieder zu viel Beifall Anlass gab.
Der Meister verbeugte sich am Ende der gelungenen Präsentation von eleganten Kostümen, Tageskleidern und prunkvollen Abendroben freundlich lächelnd im Kreise seiner Mannequins und niemand sah im die erschöpfenden Vorbereitungsarbeiten an.
Er war ganz einfach glücklich über den Erfolg, glücklich über seine gelungene Kollektion und glücklich mit seinem Leben, das er ganz der Mode gewidmet hat.