Peter Rabl: WAS MAN NICHT SAGEN DARF!

Als Journalist, Redakteur, Herausgeber, Kommentator und Moderator wurde Peter Rabl über Jahrzehnte für seine pointierte Kritik am politischen Geschehen in Österreich von einer großen Leser- und Seherschaft überaus geschätzt. Seine Leitartikel zum Zeitgeschehen in der Sonntagsausgabe des Kurier zählten mit klarer Sprache und ebensolcher Meinung zu den meistgelesenen und machten den gebürtigen Steirer zu einem der beliebtesten Kommentatoren.
Jetzt, zwei Jahre nach seinem Rückzug aus den Medien, ist Peter Rabls erstes Buch Der Unwohlfahrtsstaat. Hat unser System noch Zukunft?
Mit gewohnt scharfem Blick und ebensolcher Feder nimmt er die wirtschaftliche Zukunft Österreichs und die Auswüchse unseres Sozialsystems unter die Lupe. Der leidenschaftliche Journalist ist sich selbst treu geblieben: er schreibt „Was man nicht sagen darf!“

Eigentlich“, gesteht der Jung-Autor, „wollte ich nie ein Buch schreiben. Und das, obwohl mich die Verlage seit mindestens 30 Jahren dazu drängten. Ich habe mich immer erfolgreich gewehrt, schon aus tiefster Überzeugung, dass es ohnehin genug Bücher von Kollegen gibt!“ Nachsatz: „Und leider auch viele schlechte!“ Dass er letztendlich einwilligte, seine Sicht über die wirtschaftliche und sozialpolitische Zukunft unseres Wohlfahrtsstaats niederzuschreiben, ist einerseits seinem selbstgewählten Status als Freischaffender, andererseits der Hartnäckigkeit des Brandstätter-Verlags zu verdanken und dem Umstand, „dass mich diese Problematik situationsbedingt schon länger beschäftigt hat“.

Sein gerade gewonnener Luxus, „die Souveränität über die eigene Zeit“ schrumpfte blitzschnell wieder auf ein Minimum. „So ein Buch ist ein Energiefresser,“ weiß Peter Rabl heute, „ich habe das wirklich unterschätzt. Allein die Recherchen beanspruchten ein Dreivierteljahr und dabei muss ich noch dankbar sein, dass ich in einer vernetzten Zeit lebe, in der – Google sei Dank – jede gewünschte Information auf Knopfdruck ins ,Haus’ geliefert wird!“

Nach über einem Jahr intensiver Arbeit und „keinem Tag Urlaub“, ist das Buch nun im Verkauf. Mit einem roten Umschlag, der Peter Rabl mit Gießkanne zeigt, und einem sperrigen Titel. „Ehrlich, ich bin weder übers Cover noch über den Titel glücklich“, sagt der Autor offen. „Es war zwar nicht meine Idee, aber mir ist auch nichts Besseres eingefallen.“ Der Inhalt ist dafür umso aufrüttelnder. Peter Rabl malt ein düsteres Zukunftsszenario, in dem der Wohlfahrtsstaat zur kontraproduktiven Falle wird. „Ich habe mich vom politischen Denken und den Zahlen des Durchschnitts gelöst, denn ich bin der Überzeugung, dass es nichts bringt, sich mit den Schlechten zu vergleichen. Mir geht es darum, festzustellen, wo sind wir im Verhältnis zu den Besten!“

Die österreichische Mentalität ist seiner Meinung nach auch nicht gerade hilfreich für eine Umstrukturierung Richtung Wirtschaftsaufschwung: „Bei uns werden Probleme gerne verdrängt. Man schaut weg, wenn es unangenehm wird und übt sich gern im Zweckoptimismus à la wird schon gut gehen!“ Zudem würden die Menschen bewusst falsch informiert. „Politiker vom Fach wissen sehr wohl, wohin das alles führt, aber sie schweigen lieber und konzentrieren sich auf den nächsten Wahlkampf!“

Zu seinem großen Bedauern funktioniert das Regulativ einer objektiven Berichterstattung nicht mehr so wie es sollte: „Die Journalisten stehen unter zunehmendem Druck und enormer Doppelbelastung durch Print und Internet. Da ist keine Zeit mehr für seriöse Recherchen, die politische Diskussion bleibt an der Oberfläche, große Themen werden nur gestreift und zumeist schöngefärbt, um die Menschen nicht noch mehr zu beunruhigen, als sie es aufgrund ihres Bauchgefühls ohnehin schon sind.“

In seinem Buch geht Peter Rabl unerschrocken und knallhart an die Problematik des heimischen Wohlfahrtsstaates heran. Kapitel für Kapitel behandelt er die Themen, die uns alle angehen. Von Steuerbelastung, Arbeitslosigkeit, Überalterung, Asylanten bis zur sattsam diskutierten Schulreform. Hier wird schonungslos, ungeschminkt und mit Zahlen belegt, welche Zukunft uns bevorsteht, falls die Politik weiter an der Tabuisierung des derzeitigen Sozialsystems festhält, um ihre Wähler bei Laune zu halten und daher auch nicht bereit ist, radikale Schritte anzudenken.

„Weiterwursteln ist angesagt“, ist Peter Rabl überzeugt. „Welche Konsequenzen das für uns, unsere Kinder und vor allem unsere Enkel hat, das möchte ich am liebsten gar nicht andenken!“

VONsociety: Peter Rabl, Buch Der Unwohlfahrtsstaat, Brandstätter Verlag

In seinem Buch geht Peter Rabl unerschrocken und knallhart an die Problematik des heimischen Wohlfahrtsstaates heran © Brandstätter

In seinem Buch geht Peter Rabl unerschrocken und knallhart an die Problematik des heimischen Wohlfahrtsstaates heran.

Hat er aber. Auf 175 Seiten erfährt der interessierte Leser was er eventuell geahnt oder befürchtet, doch größtenteils in dieser Deutlichkeit nicht gewusst hat. Laut Peter Rabl „regt die gesamtstaatliche Großzügigkeit breite Schichten nicht zu Eigeninitiative und Verantwortung an. So finanziert ein Nettozahler drei Nettoempfänger und was macht die Politik? Sie orientiert sich an den Empfängern, denn die sind ja die Mehrheit!“ Und er gibt weiter zu bedenken: „Mit 56 Prozent Belastung auf das Gesamteinkommen liegt unser Land EU-weit an dritter Stelle. Zu recht reden alle von der Lohnsteuerlast. Jetzt kommt zwar 2016 die langerwartete Lohnsteuersenkung, dass aber die Sozialabgaben doppelt so hoch sind wird nicht erwähnt“. Die Pensionen sinken, da als Berechnungsschlüssel nicht mehr – wie noch vor 20 Jahren – der Erhalt des Lebensstandards sondern die Inflationsabgeltung herangezogen wird. „Und dabei“, so Peter Rabl, „sind nicht die Pensionen das gravierende Problem, sondern die auf uns zurollende Pflegelawine im Gesundheitsbereich durch Überalterung.“

Zwar versucht der Staat immer noch die Arbeitslosigkeit zu schönen, indem er regelmäßig die in AMS-Schulung Befindlichen „vergisst“, seriösen Schätzungen zufolge werden 2016 in Österreich schon 500.000 Menschen ohne Arbeit sein und 1 Million in Teilzeitjobs. „Hinter diesen alarmierenden Zahlen steckt auch oft das Kalkül der Betroffenen“, ist Autor Rabl überzeugt. „Denn wer mehr verdient, verliert soziale Transfers. Und wenn der Abstand zwischen Arbeitslosengeld und erreichbarem Einkommen zu gering ist, droht die Inaktivitätsfalle.“

Die Chancen für „Mindergebildete“ stehen schlecht. Schon heute stellen Menschen mit Pflichtschulabschluss die Hälfte der Arbeitslosen. „Die digitale Revolution frisst Jobs“, zitiert Peter Rabl Zukunftsforscher. „Software verdrängt Hardware und ersetzt nicht nur Muskelkraft sondern auch menschliche Gehirne. In 15 Jahren werden Computer alles können, was Menschen können, nur besser!“

Wenn aber menschliche Arbeit intellektuell anspruchsvoller wird, bedarf es einer besseren Aus- und permanenten Weiterbildung und einer stärkeren Spezialisierung. „Die Zukunft liegt am digitalen Arbeitsmarkt, Menschen arbeiten überall und jederzeit, Arbeit und Freizeit, Wohn- und Arbeitsort verschwimmen. Arbeit bezeichnet wieder das, was man tut und nicht das, wohin man geht!“ Um Kinder auf diese neue, anspruchsvolle Arbeitswelt vorzubereiten, ist die Ganztagsschule, so Autor Rabl, die beste Lösung. „Vergleichsweise wenige Eltern haben die finanziellen Mittel ihre Kinder in Privatschulen zu schicken. Die Mehrheit leider nicht. Unser derzeitiges Bildungssystem verlässt sich immer noch auf die Mitarbeit der Eltern. Viele können das aber aus zeitlichen oder intellektuellen Gründen nicht. Deshalb erreicht bei uns auch nur jeder fünfte Schüler einen höheren Bildungsgrad als seine Eltern und davon sollten Kinder nicht abhängig sein. Zudem ist die Ganztagsschule die einzig wirksame Lösung für Integration.“

Wenn man als Journalist und Insider quasi jahrzehntelang mit dem fast professionellen Verdrängungsmechanismus der österreichischen Politiker konfrontiert war und das tägliche Mantra des „alles nicht so schlimm“ nach peniblen Nachforschungen widerlegt und niederschreibt, stellt sich die Frage: „Macht sich Peter Rabl um seine eigne Zukunft Sorgen?“ Er versichert: „Danke mir geht’s gut. Ich bin gerade noch davongekommen. Und für meine vier erwachsenen Söhne, alle tüchtig und in tollen Berufen, sehe ich auch keine Probleme. Für meine Enkelkinder wird es da schon etwas komplizierter!“

Die Überlegung, in nächster Zeit ein zweites Buch zu schreiben, beschäftigt ihn derzeit nicht: „Ich hole jetzt meine versäumten Urlaube nach, bekoche meine Frau am Wochenende und lese viel. Aber ausschließen kann ich es natürlich nicht, wenn mich etwas wirklich interessiert. „Jetzt“, verrät er mit einem Augenzwinkern, „genieße ich einmal die Früchte von einem Jahr intensiver Arbeit! Immerhin verdiene ich heiße 10 Prozent vom Ladenpreis, also ganze 2,20 Euro pro verkauftem Exemplar, minus 50 Prozent Steuer. Der Reichtum wird also nicht ausbrechen, das ist halt Österreich“, lacht Peter Rabl, „aber sollte was übrigbleiben werde ich meiner Frau etwas Schönes kaufen, sie hat es sich verdient!“

www.brandstaetterverlag.com

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