ELISABETH SIGMUND: Pionierin der Naturkosmetik
24. August 2020 – Andrea Harris
ELISABETH SIGMUND gilt als Pionierin der Naturkosmetik. Dass die gebürtige Wienerin maßgeblich an der Entwicklung der Dr. Hauschka Kosmetik mitwirkte, weiß kaum jemand.
Ich kenne natürlich die Marke Dr. Hauschka. Auch ist mir der Hype, den die Naturkosmetik in Hollywood erfährt, bewusst. Immerhin nennt Julia Roberts die legendäre Rosencreme „amazing“ und viele andere Stars haben sich als Fans geoutet. Getestet hatte ich von Dr. Hauschka aber bis vor Kurzem noch nichts.
Als mir bei der Durchsicht meiner „Schätze“ und auf der Suche nach einer „neuen“ Creme die Regeneration Intensiv Produkte im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand fielen, habe ich das als Wink des Schicksals betrachtet.
Was soll ich sagen: Ich bin begeistert! Von der Textur, der Wirkung, der Philosophie und dem anthroposophischen Ansatz … und natürlich von der Tatsache, dass zwei gebürtige Wiener diese ganzheitliche Kosmetik entwickelt haben.
Nehmen Sie sich doch ein paar Minuten Zeit: Ich möchte Ihnen gerne die visionäre Elisabeth Sigmund und ihre Leidenschaft für Heilpflanzen und ganzheitliches Denken vorstellen.
Tochter aus gutem Hause
Elisabeth Sigmund wurde am 25. Oktober 1914 in Wien im noblen Hietzing geboren. Ihre Mutter, Albine Maria Resch, gehörte als geborene Pribik von Klenov dem polnischen Uradel an. Der Vater, Dr. Ludwig Anton Resch, ein promovierter Politologe, arbeitete im Ministerium für Kultur und Unterricht.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges lernten Elisabeth und ihre um zwei Jahre ältere Schwester Albine die angenehmen Seiten des Lebens kennen. Dazu gehörten schöne Kleider, Kosmetik und Ferienaufenthalte auf dem Land ebenso dazu, wie Literatur, Musik und Theaterbesuche. Die Tochter aus gutem Hause entwickelte damals ihren Sinn für Ästhetik und ihre große Liebe zum Theater.
Der Toilettentisch der Mutter übte auf das junge Mädchen eine wahre Faszination aus. Sie lernte damals Kaloderma Reispuder, Dostal’s Toilette-Perlen (die in Verbindung mit Wasser schäumten und das Gesicht reinigten), Mandelpaste und Hamamelis-Gesichtswasser kennen.
Ludwig Resch erzog seine Tochter zeit seines Lebens im anthroposophischen Sinn und stellte sich damit gegen den herrschenden katholischen Zeitgeist, den Elisabeths Mutter repräsentierte. Als er im Sommer 1929 mit 42 Jahren starb, war dies ein schwerer Verlust für die 14-Jährige, die sehr an ihm hing. Kurz vor seinem Tod hatte ihr Vater seinen Freund Hans Erhard Lauer beauftragt, sich um die anthroposophische Ausbildung seiner Tochter zu kümmern. Lauer war unter anderem Vorstandsmitglied der Anthroposophischen Landesgesellschaft in Wien. Er nahm diesen Auftrag hinter dem Rücken der Mutter war. Für Elisabeth Sigmund eröffnete sich mit den Büchern Rudolf Steiners eine erfüllende neue Gedankenwelt, die ihr weiteres Leben prägte. Denn später sollte sie sich nach der Lektüre eines Rudolf-Steiner-Vortrags entscheiden, Kosmetikerin zu werden.
Im Todesjahr ihres Vaters lernt Elisabeth ihren späteren Ehemann, Karl Sigmund kennen, den sie 1937 heiratete.
Das Interesse für Heilpflanzen & Kosmetik
Elisabeth Sigmund war schon in jungen Jahren von einem ausgeprägten Forschergeist getrieben. Großmutter Anastasia, die in einem Haus mit großem Garten lebte, weckte ihre Begeisterung für Pflanzen und lehrte sie viel Wissenswertes über die Blumen, die dort wuchsen. Der Apotheker Paul Redtenbacher, der für die Damen Resch, das Hamamelis-Gesichtswasser und eine Crème Céleste nach dem Rezept der Großmutter herstellte, bekam rasch mit, dass Elisabeth ein außergewöhnliches Interesse an Kosmetik hatte. Er nahm sie in seine Apotheke mit, weckte ihre Neugierde an selbst hergestellter Gesichtspflege, die nicht nur eine kosmetische, sondern auch eine medizinische Wirkung besitzt. Redtenbacher führte sie in die Herstellungspraktiken ein, und Elisabeth startete zuhause ihre ersten Versuche. Der Wunsch, eigene Hautpflegeprodukte zu entwickeln, wurde immer größer. „Die Cremes, die es zu kaufen gab, gefielen mir nicht. Ich wollte deshalb selber rühren, mit Zutaten, die mir behagten,“ erzählte sie später.
Elisabeth Sigmund hatte auch ein medizinisches Interesse. Nach einer Ausbildung als Rotkreuzschwester studierte sie Medizin an der Wiener Universität. Nach zwei Semestern musste sie krankheitsbedingt unterbrechen. Während dieser Zwangspause beschloss sie nach der Lektüre von Rudolf Steiners Vortrag „Das Künstlerische in seiner Weltmission“, Kosmetikerin zu werden. Steiner sagte, schön sei dasjenige, was sein Inneres in seiner äußeren Gestaltung zur Offenbarung bringt. Diese Worte und die Liebe zu Heilpflanzen und ihr Sinn für Ästhetik weckten Elisabeth Sigmunds lebensbestimmende Leidenschaft für Kosmetik.
Elisabeth Sigmund
Alle meine kosmetischen Versuche waren immer motiviert durch ein medizinisches Interesse, welche Heilpflanzen gut für die Haut sind und sie quasi heilen.
Elisabeth Sigmund begann, sich ihr eigenes Kosmetikstudium zu gestalten, denn eine eigene Ausbildung zur Kosmetikerin gab es damals noch nicht. Sie besuchte nur mehr ausgewählte Medizinvorlesungen, belegte Kurse bei großen Kosmetikfirmen und arbeitete bei dem Wiener Kosmetikinstitut Pessl. Dort lernte sie alle Nachteile der konventionellen Behandlung kennen. Sie beobachtete, wie Gesichtsmassagen die Gesichtsmuskeln erschlaffen lassen und wie eine Hautreinigung mit Vaseline die Poren verstopft.
Es war an der Zeit, ihr eigene Kosmetik auf Basis von Heilpflanzen zu kreieren. Sie erarbeitete sich ein großes Wissen über hautwirksame Heilpflanzen, indem sie in alten Medizinbüchern die Kapitel über Hautkrankheiten auswertete. Mit ihrem Motorrad fuhr sie zu zahlreichen Klosterbibliotheken außerhalb Wiens. In den alten Medizinbüchern, die damals unbeachtet verstaubten, fand sie umfangreiches Heilpflanzenwissen. Sie belegte zudem Kurse in einem Pariser Kosmetiklabor, um das Handwerk der Kosmetikentwicklung zu erlernen.
Elisabeth Sigmunds Mutter war darüber nicht erfreut. Für eine Tochter aus gutem Hause war es absolut unschicklich, Kosmetikerin zu werden. Gegenüber Bekannten und Freunden der Mutter durfte nicht erwähnt werden, welchen Beruf sie ausüben wollte. Elisabeth hielt das aber nicht davon ab, ihren Weg zu gehen.
Ihr erstes ernstzunehmendes Präparat, ein Gesichtswasser, stellte sie auf Grundlage eines selbstgekochten Gänseblümchentees her. Dieses Gesichtswasser baute sie später mit weiteren Heilpflanzen zum Dr. Hauschka Gesichtstonikum klärend aus.
Elisabeths Mann hatte eine Offizierslaufbahn eingeschlagen. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war Karl Sigmund gezwungen, als Hauptmann in den Krieg zu ziehen. Elisabeth reiste ihm innerhalb Deutschlands nach und arbeitete als Rotkreuzschwester. Sie studierte auch während des Krieges in Bibliotheken Medizinbücher. Nachdem sie in Berlin einen Drogisten gefunden hatten, der auf dem Schwarzmarkt Heilpflanzen verkaufte, stellte sie Kosmetik her und gab sie den Offiziersfrauen, die sie kennengelernt hatte, zum Ausprobieren.
Nach dem Krieg hatten die Sigmunds den Plan, nach Schweden auszuwandern. Auslöser war das Angebot einer Pflegetante von Karl, welche die beiden überredete, sich in Schweden etwas Neues aufzubauen. 1948 wurde die Einreisegenehmigung erteilt. Elisabeth und Karl kamen mittellos bei der 59jährigen Tante Signe an, die aber entgegen ihrer Ankündigung, genügend Geld zur Unterstützung zu haben, nicht in der Lage war, zu helfen. Die beiden hatten das Gefühl, getäuscht worden zu sein, konnten aber aus finanziellen Gründen nicht sofort nach Österreich zurück. Karl fand eine Anstellung in einer Fahrschule, deren Leiter er 1965 wurde. Elisabeth lernte Schwedisch und nahm ihre kosmetischen Studien wieder auf.
Nachdem sie sich in Schweden etabliert hatte, fand sie zum ersten Mal die Ruhe, ihre Kosmetikprodukte auszuarbeiten und ein festes Sortiment aufzubauen. Hautpflege war für sie Therapie und Gesundheitspflege zugleich. Jede ihrer Rezepturen entstand deshalb um eine hautwirksame Heilpflanze herum. Nur natürliche Inhaltsstoffe fanden den Weg in ihre Produkte. Isolierte Wirkstoffe blieben außen vor. Stattdessen verarbeitete Elisabeth Sigmund ganze Pflanzenteile. Sie entwickelte die Produkte nicht für festgelegte Hauttypen, wie zum Beispiel fettige oder trockene Haut. Vielmehr ging sie davon aus, dass jede Haut aus eigener Kraft wieder zu einem ausgeglichenen Zustand zurückfinden kann. Sie sprach deshalb von Hautbildern, die nur zeitweise bestehen und das Potenzial zur Veränderung besitzen. Ihre Kosmetik sollte diese Veränderung unterstützen, indem sie die hauteigene Regenerationskräfte anregt.
Nicht ganz einfach war es, Zutaten wie Bienenwachs, naturreine fette Öle, Mandeln, natürliche ätherische Öle, Seide oder getrocknete Pflanzen in guter Qualität für die Rezepturen zu besorgen. Die meisten bestellte Elisabeth über Geschäfte in Deutschland und in Österreich, wo sie zum Teil Bioqualität einkaufen konnte. Durch ihre Beschäftigung mit Rudolf Steiner, der den Impuls für biologisch-dynamische Landwirtschaft gegeben hatte, war ihr dieses Kriterium wichtig.
Elisabeth Sigmund eröffnete in Stockholm ihr eigenes Kosmetikstudio. Mit erstaunlichen Resultaten behandelte sie ihre Kundschaft mit selbstentwickelter Naturkosmetik, deren Rezepturen WALA Arzneimittelampullen enthielten.
Ihr erstes festes Grundsortiment bestand aus einer Rosencreme nach dem Rezept ihrer Großmutter und einer weiteren Creme. Aus Gesichtswasser, Gesichtswaschcreme mit Mandelmehl, einer Gesichtsmaske, einem Salbeibad, Seidenpuder, einer Hautkur und diversen Gesichtsölen. Karl Sigmund unterstützte seine Frau indem er für die Herstellung und Abfüllung kleine Geräte baute. Alle Produkte waren frei von Konservierungsstoffen und blieben im Kühlschrank zirka einen Monat haltbar. Deshalb stellte Elisabeth Sigmund nur kleine Mengen her.
In ihrem Stockholmer Kosmetikstudio entwickelt Elisabeth Sigmund auch eine eigene ganzheitliche Behandlungsmethode. Wichtig war ihr, dass die Kundinnen sich von Kopf bis Fuß wohlfühlen und entspannen konnten. Etwa zwei Stunden dauerte ein Termin, der mit einem wärmenden Fußbad begann und Lymphstimulation mit Pinseln und Händen, sowie Gesichtsgymnastik umfasst. Diese Methode bildet bis heute das Herz der Dr. Hauschka Behandlungen, die Dr. Hauschka Naturkosmetikerinnen auf der ganzen Welt anbieten.
Im Jahr 1961 begab sich Elisabeth Sigmund auf eine einjährige Studienreise nach Indien. Zahlreiche Stunden verbrachte sie in der Universitätsbibliothek von Mumbai, in der sie Bücher über hautwirksame Heilpflanzen und andere Naturstoffe fand, die in Europa nicht erhältlich waren. Der indische Arzt Dr. Kaura brachte ihr viel über die ayurvedische Medizin bei. Auf der Rückreise hatte sie neues Wissen über kosmetisch wirksame Heilpflanzen im Gebäck.
Zusammenarbeit mit WALA & Entwicklung der Dr. Hauschka Kosmetik
Kurz nach ihrer Rückkehr aus Indien kam Elisabeth Sigmund in persönlichen Kontakt mit der Firma WALA in Eckwälden (Deutschland), von der sie die Arzneimittel für ihre Rezepturen bezog.
Der gebürtige Wiener Chemiker Dr. Rudolf Hauschka, Begründer der WALA, suchte seit einiger Zeit nach einer Kosmetik, die seiner anthroposophischen Philosophie und den Grundsätzen seiner Firma entsprach. (Anm.: der Name WALA steht für die Wortkombination „Wärme-Asche-Licht-Asche“, die die anthroposophische Methode umschreibt, die Hauschka für die Herstellung seiner sogenannten „Urtinktur“ entwickelt hat).
Hauschka richtete ein Schreiben mit seinem Anliegen an anthroposophische Ärzte und Kosmetikerinnen. Elisabeth Sigmund, die seit 1950 direkt in Eckwälden WALA Produkte bestellte, erhielt 1962 wohl deshalb diesen Brief. Ihre elfseitige Antwort scheint Rudolf Hauschka beeindruckt zu haben, denn er lud sie sofort ein. Im Sommer fuhr sie gemeinsam mit ihrem Mann zu Beginn ihrer Ferien nach Eckwälden, um ihr Kosmetikkonzept persönlich vorzustellen. Bei WALA war man derart beeindruckt, dass sie gleich für die Dauer ihrer Ferien bleiben musste.
Es folgten mehrwöchige Arbeitsaufenthalte mit den Entwicklern der WALA. Elisabeth Sigmund begleitete dazwischen die Arbeiten von Schweden aus. Sie erhielt regelmäßig Testreihen der Produkte, mit variierenden Zusammensetzungen, die sie an ihren Kundinnen und sich selbst testete. Ihre Beobachtungen und Erfahrungen schickte sich in Briefen nach Eckwälden.
Heilende Kosmetik nach Elisabeth Sigmund
Im Juni 1967 kam die Dr. Hauschka Heilende Kosmetik nach Elisabeth Sigmund auf den Markt. Aus rechtlichen Gründen wurde die Kosmetiklinie 1972 in Dr. Hauschka Kosmetik-Präparate nach Elisabeth Sigmund umbenannt und heißt seit 1978 Dr. Hauschka Kosmetik.
Die Lancierung übertraf alle Erwartungen. Elisabeth Sigmund folgte schließlich dem Ruf aus Eckwälden und gab nach 20 Jahren ihre Existenz in Schweden auf. Zum dritten Mal begann sie von vorne. Karl fand eine feste Anstellung bei der WALA. Elisabeth kümmerte sich neben der Produktweiterentwicklung um die Kundenanfragen, besuchte Messen und hielt Vorträge.
Kosmetisches Wissen weitergeben
Nachdem die Aufbauarbeit geleistet, die Dr. Hauschka Kosmetik etabliert und viele Prozesse zur Routine geworden waren, konnte Elisabeth Sigmund die tägliche Arbeit anderen überlassen. Sie konnte die Früchte ihres Schaffens gemeinsam mit ihrem Mann, der 1970 in Pension ging, genießen. Die beiden waren aber trotzdem noch sehr aktiv. Gemeinsam veranstalteten sie anthroposophische Vortragsabende und Elisabeth gab ihr kosmetisches Wissen nach wie vor in Vorträgen weiter und schrieb über kosmetische Themen.
Bis zuletzt empfing sie Rat suchende WALA Mitarbeiter, die Fragen zu Behandlungen und Produktneuentwicklungen hatten. Sie fand die neuen Produkte hervorragend und freute sich über die Ideen der nachfolgenden Generation. Elisabeth Sigmund fieberte bis zu ihrem Tod am 20. Dezember 2013 bei Neuentwicklungen mit und sagte bis zum Schluss: „Ich zähle mich zur WALA“.
Die Dr. Hauschka Kosmetik Philosophie
Die Philosophie von Dr. Hauschka ist, dass unsere Haut sich aus eigener Kraft versorgt und erneuert. Kosmetik kann und soll ihr diese Aufgabe nicht abnehmen. Das Dr. Hauschka Konzept will reinigen, stärken, pflegen, schmücken. Und dabei den natürlichen Tag-und-Nacht-Rhythmus der Haut berücksichtigen.
Besonders wichtig ist die fettfreie Nachtpflege. Während der Mensch zur Ruhe kommt, beginnt eine Zeit der Regeneration. Die Haut sollte dabei frei atmen dürfen – unter einer Fettschicht kann sie das nicht. Mit dieser Empfehlung steht Dr. Hauschka Kosmetik dennoch ziemlich allein und kann deshalb auch nur halb so viel Creme verkaufen wie andere.
Zahlreiche Dr. Hauschka Produkte und Behandlungen des heutigen Sortiments gehen direkt auf Elisabeth Sigmund zurück: Gesichtswaschcreme, Gesichtstonikum, Nachtkur, Rosen Tagescreme, Gesichtsöl, Salbei Bad, Seidenpuder, Dr. Hauschka Klassische Behandlung, Gesichtsgymnastik