PHYSIOTHERAPIE als Rezept gegen Stress
3. August 2020
Wie kann Physiotherapie gegen Stress helfen?
Ein gesunder Mensch besitzt die Fähigkeit, körperlich und emotional flexibel zu reagieren und kann mit Veränderungen konstruktiv umgehen, ohne dabei die Verbindung zu sich zu verlieren. Lifestyle, Ernährung, Bewegung, das persönliche Umfeld, alles was von außen auf uns einwirkt, beeinflusst das innere Gleichgewicht und umgekehrt wirkt jeder veränderte Gedanke nach außen auf unsere Umwelt.
Michaela Kainz ist diplomierte Physiotherapeutin, Craniosacraltherapeutin und Yogalehrerin. Sie beschäftigt sich eingehend mit dem Thema Stressbewältigung und Physiotherapie. Die Verbindung zwischen Geist, Körper und Seele ist für sie selbstverständlich und die Auseinandersetzung damit unerlässlich, um Kraft zu haben und den Anforderungen des Alltags gewachsen zu sein. „Awarness“ als Rezept in der hektischen Zeit in der wir leben, ist für die Therapeutin „unerlässlich und gerade jetzt von großer Bedeutung. Awareness beginnt bei uns selbst …“
Wie wirkt sich permanenter Stress auf unseren Körper aus?
Michaela Kainz: Die Haut wird sensibel, Faszien und Muskelgewebe werden hart, die Zellen sind schlecht durchblutet, der Stoffwechsel funktioniert nicht gut, der Serotoninspiegel sinkt proportional zum Bewegungsmangel, die Spannung steigt.
Durch diesen inneren und äußeren Druck fühlt sich unser Körper schlecht und das wirkt sich natürlich auch negativ auf die Stimmung aus!
Welche Symptome beschreiben Ihre Patienten am häufigsten?
Die Patienten klagen über Spannung im Nacken, Kopfweh, Kribbelgefühle in den Armen, Schwäche in der Muskulatur. Rückenschmerzen die man vielleicht eh schon kennt, verstärken sich. Ein Thema ist auch gelegentliche Atemnot, oder Tinnitus, das „berühmte“ Pfeifen im Ohr, bis hin zu Kiefergelenksbeschwerden, die durch Knirschen in der Nacht ausgelöst werden.
All diese Symptome haben klar definierte strukturelle Hintergründe, wie Bandscheiben, die nicht ganz so gut hydriert sind wie von 20-Jährigen, oder Engstellen bei Nervenaustritten zwischen den einzelnen Wirbelkörpern, Gelenke die etwas abgenützt sind, oder Muskeln, die zu schwach sind, um das Rückgrat zu halten.
Führt Stress auch zu einem mangelnden Körperbewusstsein, einer fehlenden „Awareness“?
Auf jeden Fall! Das ist ein ganz wesentlicher Punkt! Die genannten Beschwerden sind zu einem großen Teil auch auf zu wenig Bewusstsein für unseren Körper, den „Tempel in dem unsere Seele“ wohnt, zurückzuführen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass unser Körper unendlich viel aushält, er organisiert sich gerne in Selbstheilung, lässt Menschen Wunder vollbringen – man denke nur an den Yogi der sich bis zur Akrobatik verbiegt, oder den Manager, der tagelang nicht schläft und gleichzeitig geistige Hochleistungen zur Rettung seiner Firma vollbringt.
Wen trifft es am meisten?
Die meisten „Opfer“ dieses Bewusstseinsverlusts sind aber nicht ältere Menschen, sondern junge, engagierte Topmanager, Anwälte, Architekte, Ärzte, Menschen mit wirklich verantwortungsvollen Berufen, Lara Croft ähnlichen Frauen, die zwischen Job, Kindern und Fitnessclubs hin und her tanzen.
Grundsätzlich ist Stress ja nichts Negatives, sondern herausfordernd und befriedigend für den einzelnen. Wenn dieser Belastungszustand aber ein permanenter ist, tappen immer mehr in die Erschöpfungsfalle.
Obwohl man nicht über mangelnde Information klagen kann, steigt die Zahl derer, die über Rückenschmerzen, Haltungsprobleme und körperliche Überlastung klagen, immer mehr.
Es gibt aufschlussreiche Statistiken, die besagen, dass rund 2,3 Millionen Österreicher an manifesten Wirbelsäulenbeschwerden leiden. Laut Statistik Austria avancierten diese Erkrankungen inzwischen zum „gesund- heitlichen Problembereich Nummer eins“. 83 Einzeldiagnosen zu Krankheiten der Wirbelsäule sind heute nach internationalen Standards katalogisiert. Im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts hat die Zahl der Menschen mit chronischen Rückenschmerzen um fast ein Drittel zugenommen. Rund 80 Prozent aller chronischen Schmerzen betreffen den Bewegungsapparat. Die meisten Symptome die dann schnell mal als „Burn-out“ bezeichnet werden, liegen dem zu Grunde. Unter ausgewiesenen Psychotherapeuten wird gerne formuliert: „Einmal Burn-out, immer Burn-out“.
Wie kann Physiotherapie hier ansetzen?
Biomechanisch betrachtet, geben wir Physiotherapeuten unseren Patienten beziehungsweise deren Nerven und Zellen mehr „Platz“.
Das heißt, durch manuelle Therapie an der Wirbelsäule – kleine passive durch den Therapeuten ausgeführte Bewegungen – bringe ich mehr Mobilität ins System. So wird die Durchblutung angeregt, werden Verklebungen durch Faszientechniken gelöst, Nerven werden durch spezielle Dehnungen entspannter, harte Muskeln durch Wärme und Massage weicher. Osteopathische Techniken unterstützen die Selbstheilungskräfte.
Durch gezielte Anleitung, zeigen wir unseren Patienten, was es bedeutet die Pole Kopf, Brustkorb und Becken in gesunder Balance zu halten. So entsteht ein neues Bild im Kopf jedes einzelnen, ein Bewusstsein für die richtige Haltung, die richtigen Bewegungsabläufe. Diese „Awareness“ sollte dann auch ins jeweilige Training, ob im Fitnessclub am Gerät oder beim EMS-Trainig, Pilates, oder beim Yoga, umgesetzt werden.
Durch Pranayama – Atemtechniken aus dem Yoga – verbessern wir den Zugang zu Spannung und Entspannung in Gelenken und Muskeln.
Ziel ist es, die Flexibilität sowie die innere und äußere Haltung zu verbessern. Und zwar durch ein Training, das im ersten Schritt aus Wahrnehmungsübungen besteht, die dem Patienten in Wahrheit den Istzustand vergegenwärtigen.
Durch Schulung dieses Bewusstseins, durch erlebtes Spüren, steigt die eigene Intuition, die Selbstheilungskräfte kommen zum Wirken und eine andere „Awareness“ setzt ein.
Kann man damit wirklich präventiv gegen Burn-out ankämpfen?
Ja! Meiner Meinung nach sind die von mir geschilderten Physiotherapie Ansätze und Anleitungen ein hilfreiches Instrumentarium, dem gefürchteten Erschöpfungszustand ein Schnippchen zu schlagen, oder zumindest Druck und Anforderung unter Kontrolle zu halten.
Michaela Kainz kam nach einer Tanzkarriere und durch eigene Erfahrungen mit Verletzungen zur Physiotherapie. Sie ist diplomierte Physiotherapeutin, Craniosacraltherapeutin und Yogalehrerin-
Freiberuflich tätig seit 2000, eigene Praxis seit 2011.
PRAXIS KAINZ – Naglergasse 6/7 – 1010 Wien