M. HOERMANSEDERS HEISSE KLEIDER
Bei der Berliner Fashion Week, die um genau zu sein nur exakt vier Tage dauert, steppt in Deutschlands hipper Hauptstadt der Bär. Alle, die in sind oder es werden wollen, drängen zu den Shows, einem Mix aus etablierten Labels und Newcomern, von denen jeder nur ein Ziel hat, der Beste zu sein.
In vergangenen Jahr gelang dieses Kunststück einer jungen Österreicherin: Marina Hoermanseders avantgardistische Ideen – Kleider zwischen Bondage und Boheme, Leder und Kaschmir – überstrahlten am Runway so bekannte Designer wie Dorothee Schumacher, Lena Hoschek, Riani oder Guido Maria Kretschmer. „Ein Leuchtpunkt“, laut Style Book, „die beste Kollektion“, urteilte die ZEIT: „So macht Berliner Modewoche Spaß!“
Wir fanden: höchste Zeit für ein Interview!
Gleich zu Beginn ein echter Eyecatcher: Vor dunkelrotem Background ein Model im kirschroten „Kleid“, gelacktes, geformtes Leder mit Wespentaille, üppig geformten Hüften, ein Wesen aus Utopia, mehr Fetisch als Mensch, ein Roboter mit aufregender Karosserie, verstörend, elegant und in keinster Weise anrüchig.
Und weitere 20 Showpieces, die zeigen: Marina Hoermanseder geht ihren ganz eigenen Weg. Hier wird nicht geschneidert, hier wird gewerkt. In ihrem Atelier, einer Fabriketage in Berlin Kreuzberg, die aussieht wie eine Symbiose aus Karosseriewerkstatt und Orthopädiestudio, arbeitet die junge Wienerin mit sechs Angestellten – „bei Bedarf gibt es dazu noch ein paar Freiwillige“ – an Lederkorsagen, an Röcken, Gürteln, Taschen. Hier wird Leder geformt, gehärtet, geschliffen und lackiert. Bis zu sieben Schichten „bekommt“ ein Kleid bis es Marinas Okay erhält, und das erfordert dann schon drei, vier Wochen intensiver Arbeitszeit.
Verarbeitet werden ausschließlich edle Materialien wie Leder, Kaschmir, Seide und Schurwolle zu außergewöhnlichen Riemen-Lederröcken, tollen Taschen und auffallenden Pullovern mit Leder-Schnallen-Kombinationen. Alles schick und tragbar für Menschen, die das Besondere lieben. „Ich habs ja selbst lieber leger und bequem“, lacht Marina Hörmanseder, „und trag am liebsten Jeans, T-Shirts, natürlich meine Pullover und Sneakers. In High Heels zwänge ich mich nur zum Verbeugen bei einer Show, damit ich neben den riesigen Models nicht wie ein Zwergerl aussehe!“
Bis zum ersten Verbeugen war es allerdings ein langer Weg. Denn das Kind Marina hatte mit Mode rein gar nichts am Hut. „Ich wäre viel lieber ein Bub gewesen“, gesteht die Tochter aus bestem Haus, „und hab mich auch, sehr zum Leidwesen meiner Eltern, so benommen. Im Wald Hirschkäfer sammeln und mit kurzen Haaren als ‚Mario’ in der Schul-Fußballmannschaft zu kicken, das fand ich toll und dass ich mich für technisches statt textiles Werken entschied war eigentlich selbstverständlich.“ Ihre Weigerung, sich „schön“ anzuziehen, brachte die Eltern, vor allem ihre stets modebewusste, französische Mutter, an den Rand der Verzweiflung. „Aber“, so Marina, heute überaus hübsch mit langem, blonden Haar und süßem Lächeln, „zum Glück hab ich ja eine Schwester und die war immer die Prinzessin!“
Wen wundert es, dass das erste Interesse für Mode von der technischen Seite kam: „Meine Mutter hatte eine uralte Nähmaschine mit der sie immer unsere Faschingskostüme fabrizierte und das hat mich fasziniert.“ Zur Matura wünschte sich die „handwerklich Kreative“ dann kein Auto „wie alle anderen“ sondern eine Hightech-Nähmaschine und mit dieser reifte der Wunsch „Mode zu machen“. Einziges, aber unüberwindbares Hindernis, die Eltern, die auf einem Studium bestanden inklusive dem Versprechen: „Nach dem Abschluss kannst du machen was du willst. Wir unterstützen dich!“
Im Vertrauen darauf und dem ihr eigenen Pragmatismus begann die kreative Tochter ihr Studium der Internationalen Betriebswirtschaft in London und „zum Beschleunigen“ in Hawaii, präsentierte den gestrengen Eltern den Master und war endlich dort, wo sie schon lange sein wollte: an der Berliner Esmod-Kunsthochschule. „Ich hab experimentiert und wirklich furchtbare Sachen gemacht“, gesteht die Jung-Designerin, „aber im zweiten Jahr bei einem Praktikum bei Alexander McQueen kam ich mit Leder in Verbindung. Da war für mich klar, darauf will ich mich spezialisieren!“ Trotz der Schufterei „in den Katakomben der Haute Couture“ ließ sich Marina Hoermanseder, zielorientiert wie sie ist, nicht entmutigen. „Ich bin tagelang bei einem Sattler gesessen, hab mir alles klitzeklein erklären lassen und letztendlich alle Werkzeuge, die man zur Lederverarbeitung braucht, gekauft. Denn eines stand für mich schon damals fest: Ich werde kein Sklave, ich spring ins kalte Wasser und mach mich selbständig!“
Auf ihre Diplomkollektion im Juni 2013 „fuhr die Presse voll ab“ und die Eltern hielten Wort: sie mieteten für die kreative Tochter das Atelier in Kreuzberg und unterstützen sie seither wo immer sie können. „Als man mich im letzten Jahr erstmals für die Fashion Week wollte, musste ich 20 Looks in nur drei Monaten mit einer Assistentin und der Hilfe von drei Freunden kreieren“, erinnert sich Marina Hoermanseder: „Ich hab mir nie gedacht, dass ich so arbeiten kann. Aber wie sagt mein Vater so schön: ‚Der Meister brilliert in der Knappheit der Ressourcen’. Recht hat er!“ Das positive Feedback war „überwältigend – und es ist ja nicht nur Arbeit“, gesteht die 28jährige, „es gibt einfach nichts, was ich lieber mache!“
Ihre Orders können sich sehen lassen: Als eine der Ersten bestellte Lady Gaga Korsett, Rock und eine Bandagenhose bei der jungen Wienerin. Sängerin FKA Twigs trägt eine Hoermanseder-Lederkorsage in ihrem Video, Rita Ora, Rapperin Eve, Rihanna, Franziska Knuppe und Eva Padberg, sie alle sind Fans der „strengen“ Teile. „Ich hab mich an der Kunst des orthopädischen Stützapparates orientiert“, lacht die hübsche Marina fröhlich „und Eines steht fest: In meinen Korsetts steht man kerzengerade!“
Die aktuellen Entwürfe sind nicht nur Show-Biz-tauglich: „Das ist gut fürs Image und steigert die Bekanntheit, aber leben kann man davon nicht!“ Darum entwirft die Jungdesignerin kundenorientierte Kleider und Röcke aus vielen Gürteln, Lederjäckchen mit dekorativen Schnallen, Taschen im typischen Gürtelmuster, Accessoires wie Armbänder und Schlüsselanhänger. Mit Erfolg: das Pariser La Fayette und ein großes Modehaus in Kuwait verkaufen ihre Mode und natürlich kann „frau“ sich auch im Online Shop informieren und bestellen was gefällt.
„Ohne die sozialen Medien wie Facebook und Instagram geht heute gar nichts mehr“, ist die taffe Designerin überzeugt und freut sich über 11.000 Follower: „Und es werden täglich mehr!“
Die Eltern können also beruhigt sein: Ihre Investition lohnt sich und die Tochter bleibt bis auf weiteres in ihrer Nähe. Schließlich ist Berlin ja nur eine Flugstunde von Wien entfernt.
Obwohl, Marina Hoermanseders nächster Schritt scheint schon geplant: „Wenn es hier weiter so gut läuft ginge ich gern einige Zeit in die USA, vorzugsweise an die Westküste. Denn wenn dich einer in Kalifornien kennt, kennst du alle!“