Elisabeth Gürtler: free reined! – VON 2008

Angelika Waldstein bat Elisabeth Gürtler zum Interview.
Hofreitschule, die Erste: Zu allererst treffe ich die Assistentin von Elisabeth Gürtler, Georgina Whittle, eine quirlige, attraktive Dame, die mich durch den Stall führt. Der Geruch von Pferdemist und Sattelleder und der Duft von frischem Heu: Man kann das hassen oder lieben. Ich liebe es. Die Pferde sind erstaunlich relaxed, wenn man weiß, wie nervös sie sein können. Man spürt auch bei den Angestellten, wie sehr sie sich als Team für die Sache oder besser für die Pferde engagieren. Pferdeliebhaber, die ihre Leidenschaft zum Beruf machen durften. Frau Whittle und ich gehen auf die gegenüberliegende Seite, in der die Büros liegen – direkt neben den ehemaligen Räumen von Oberst Podhajsky, dem legendären Retter der Lipizzaner vor der Roten Armee. Hofreitschule, die Zweite: Mit der Agilität eines jungen Mädchens kommt Elisabeth Gürtler durch die hohe Flügeltür, von der sie physisch fast verschluckt wird. Aber so zart und zerbrechlich ihr elegantes Erscheinungsbild auch ist, man merkt schnell, dass sie sehr pragmatisch und durch nichts so leicht irritierbar ist. Wolfgang Slupetzky, kürzlich verstorbener Chef des Wiener Ogilvy-Büros, schwärmte einst: „ … sie hat etwas, was man inneren Adel nennen kann …“ Günther Benischek, mit ihr gemeinsam im Aufsichtsrat der Erste Bank, wusste aus gemeinsamen Sitzungen zu berichten: „Sie wird von allen hofiert, jeder versucht den Gentleman hervorzukehren, man hat das Gefühl, dass man sich in ihrer Gegenwart gut benehmen muss.“ Und Engelbert Wenckheim, (Getränkeindustrieller) weiland mit ihr im Präsidium der Wirtschaftskammer, bringt die Sache auf den Punkt: „ … die Frau ist einfach toll …“ Wer oder was entzückt die Herren so? Die Unternehmerin Elisabeth Gürtler-Mauthner? Oder die Frau dahinter? Beides wäre berechtigt – und ist offensichtlich auch der Fall. (Sie stammt nicht aus der Famile Mautner Markhof, sondern ist Tochter des legendären Getreidegroßhändlers Fritz Mauthner). In dieser beinharten Männerwelt hat sie scheinbar eine ganz spezielle weibliche Erfolgsstrategie. Wo die flotten internationalen Erfolgstypen einander mit immer aggressiveren Strategien bekriegen, kann es eben durchaus von Vorteil sein, auch eine menschliche Botschaft zu vermitteln. Eigenschaften, die man bei ihr bereits auf den ersten Blick vermutet, wie ein „ … ungemeines Einfühlungsvermögen …“ so Wolfgang Slupetzky, solche die man nicht gleich vermutet, wie ein „ … konse­quentes Losgehen auf gesetzte Ziele …“ (derselbe ) oder ein „auffallendes Interesse für Details …“ (Wenckheim) und solche, die man gar nicht vermutet, wie „ … scheinbar grenzenlose Energie …“ und „ … oft ungeduldig …“ (so ein befreundeter Kollege, der auch als Coach für Elisabeth Gürtlers erste Schritte in die „Hotelierskarriere“ tätig war. O-Ton Gürtler: „Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft!“). Elisabeth Gürtler provoziert mit ihrer immer auf Distanz bedachten Freundlichkeit weder die üblichen Begehrlichkeiten noch frauenverächtliche Kommentare bei Männern. Wir gehen zu dritt ein paar Räume weiter, bis wir in ihr Büro kommen, das wesentlich weiblicher ist als die übrigen Räume, die eine gewisse karge männlichere Atmosphäre ausstrahlen. Englische, apricotfarbene Seidenvorhänge mit passenden Fauteuil- und Sesselbezügen. Ein kleiner antiker Damenschreibtisch, auf dem von ihrer Assistentin gerade Ordnung gemacht wurde (eine eigentlich atemberaubend horrible Idee, aber die beiden Damen sind derart aufeinander eingestimmt, dass sogar so etwas möglich ist). Ein ovaler Konferenztisch aus Glas, der dem klassischen Interieur eine frische Note gibt. Alles sympathisch und angenehm. „Leider“, sagt sie, „komm ich kaum in den Stall, ich hab gehofft, wenn ich das hier mache, würde ich die Pferde öfter sehen, statt dessen sehe ich nur dieses Büro hier. Pferde sind mein Ruhepol, wenn ich mich wirklich entspannen und Energie schöpfen möchte, gehe ich auf die Reitbahn und schaue den Lipizzanern zu. Alles was mit Pferden zu tun hat, ist für mich mit einer großen Sehnsucht verbunden. Ich habe für meine Pferde sogar den Führerschein für LKW mit schwerem Anhänger gemacht, weil ich die Pferde ja oft mitführen musste.“ Das Reiten und die Pferde waren für Elisabeth Gürtler, von ihrem fünften bis zu ihrem vierzigsten Lebensjahr der wichtigste Faktor. Sogar die Geburtstermine der Kinder (Alexandra 1975 und Georg 1979) sind Turnierterminen untergeordnet worden. „Es freut mich, zu dieser Leidenschaft jetzt zurückzukehren. Alle meine Lehrer kamen damals von hier. Ich glaubte, die Hofreitschule wäre gut für meine Seele. Jetzt entpuppt sich das Ganze ein bisschen als ein trojanisches Pferd. Zwar sind 1,9 Millionen Abgang in einem Bundesbetrieb kein Weltuntergang. Aber ich nehme natürlich zur Kenntnis, dass der Rechnungshof dringend Handlungsbedarf in vielen Bereichen sieht. Mein Co-Geschäftsführer und ich werden alles tun, die Problematik zu entschärfen. Dadurch bin ich natürlich auch zur Buhfrau für das von mir sehr geschätzte reitende Personal geworden. Die Leute sind Spezialisten mit hohem Marktwert, aber wir müssen etwas tun. Ich hab mir da eine Front eröffnet, auf die ich gerne verzichtet hätte.“
ANGELIKA WALDSTEIN: Wie ist das zu bewältigen, neben all den anderen Aufgaben, die Sie übernommen haben?
ELISABETH GÜRTLER: Ich gebe die Linie vor, muss aber nicht zwölf Stunden am Tag für alle Probleme ansprechbar sein. Es ist allerdings sehr wichtig, dass etwas getan wird, denn die Spanische Hofreitschule existiert seit 400 Jahren und ist Teil unserer Kultur – Reiten ist eine Kunst.

Ihrem Sohn Georg wird ja heute noch schlecht nur bei der Idee, ein Pferd zu riechen. Haben Ihre Kinder Sie ermutigt, diese Position anzunehmen?
Nicht meine Kinder haben mir zugeredet, eigentlich mein Mann der Helmut Lohner und mein Schwiegersohn. Sie haben gesagt, warum machst Du nicht etwas, was Dir wirklich Freude macht und was Du wirklich gerne tust.

Einfach um Ihrer Seele wieder ein bisschen Luft zu lassen?
Es tut mir gut, wenn ich wieder mit Pferden zu tun habe, obwohl – ich komme hier ins Büro und sehe die Pferde nicht einmal. Aber trotzdem irgendwie …

Als Sie die Hofreitschule übernommen haben, hieß es, Ihr Vorgänger habe sie saniert, dann kam unmittelbar nach Ihrem Einstieg heraus, dass das nur Bilanzkosmetik war und da fast zwei Millionen Euro pro Jahr Defizit sind, für die niemand „verantwortlich“ ist. Also fast ein Himmelfahrtskommando. Fühlen Sie sich gelegt?
Nein, niemand hat mich gelegt! Es ist einfach auf Grund des Rechnungshofberichts eine andere Situation entstanden. Es gibt eben eine andere Auffassung davon, was ein gutes Ergebnis ist. Wir werden sehr genau prüfen, wie die finan­zielle Situation aussieht, wo es Defizite gibt und wo wir noch einsparen können. Für mich ist es einfach eine große Herausforderung.

Eine Lösung oder Teillösung könnten private Sponsoren sein. Auf welche Weise könnte man ihnen einen Anreiz bieten?
An der Sache arbeiten wir gerade. Bei einem Firmensponsoring will man eigentlich eine Gegenleistung haben. Sehr selten wird so etwas gemacht weil einfach jemand begeistert ist. Da bin ich noch am Überlegen, wie so etwas überhaupt gestaltet sein kann, dass es für einen Sponsor interessant ist.

Der Pferdebestand, sagt man, soll drastisch reduziert werden, zugleich werden Tourneen abgesagt, weil sie auf Grund der absurden Zulageregelungen für die Hofreitschule nur eine zeitliche und finanzielle Belastung darstellen.
Es werden bestimmt keine Pferde reduziert. Wir werden uns bemühen, in Zukunft mehr ausgebildete Pferde zu haben. Für Bereiter wird es beim Gehalt einen Leistungsanreiz geben im Hinblick auf die Ausbildung junger Pferde.

Was bedeutet Arbeit für Sie und wie lange wollen Sie arbeiten? Können Sie sich überhaupt vorstellen, in den Ruhestand zu treten oder zumindest in eine Art Unruhestand? Und unterscheiden Sie überhaupt zwischen Arbeit und Privatleben?
Arbeit ist etwas was mir Spaß macht, ich hab früher nicht gedacht, dass mir Arbeit in dem Ausmaß Spaß machen würde. Aber es hängt sehr davon ab, was für eine Arbeit man macht. Wenn man nur Dinge ausführt und nicht selber gestalten kann, ist es nicht sehr erfüllend. Da hab ich natürlich immer Glück gehabt, dass ich Dinge angetragen bekommen habe, die ich gestalten konnte und nicht ausführen musste. Ich hab im Moment sehr viel zu tun, es zerreißt einen manchmal fast. Wie lange ich das machen möchte? So lange ich eben kann. Man merkt nur manchmal, dass man einfach die Kraft nicht mehr so hat, wie eben früher. Natürlich kann das nicht immer so weiter gehen. Aber auf diese Weise kann man es im Alter wahrscheinlich einfacher akzeptieren, weil man sagen kann: ich hab ein wahnsinnig erfülltes Leben gehabt. Wenn man zurückblicken kann und sagen kann, es war okay, ist das glaube ich sehr gut.

Sie hatten doch schon immer sehr spezielle und viele Interessen gehabt, warum haben Sie gemeint, dass Sie das früher nicht gedacht hätten?
Früher habe ich ja nur gearbeitet, weil ich meine Pferde haben wollte. Mein Hauptthema waren meine Pferde. Ich habe gearbeitet, damit alle zufrieden sind, sie mich in Ruhe lassen, und ich meine Pferde reiten kann. Ich mach meine Arbeit, dann ist das okay und dann bin ich auch okay, weil ich meine Pferde hab. In der Zeit, in der ich bei meinem Vater im Unternehmen war, konnte ich nicht gestalten, ich war ein ausführendes Organ. Bei meinem Mann im Hotel habe ich auch nur das machen können, was er mir eben so in Bandbreiten vorgegeben hat. Das ist schon ein Riesenunterschied, wenn man eigenständig etwas machen kann.

Und das Arbeiten bei Ihrem Vater war ein bisschen so wie die Vorzugszeugnisse, die Sie haben mussten, um Ihre Pferde behalten zu dürfen?
Ja, so in etwa.

Ihr Vater prägte Sie enorm fürs ganze Leben. Er war ein ziemlich impulsiver und unberechenbarer Mensch. Haben Sie ihn eigentlich mehr gefürchtet oder mehr geliebt?
Beides! Wenn man einen Fehler gemacht hat, hat man ihn gefürchtet.

Sie standen unter extremen Leistungsdruck. Nur Vorzugszeugnisse wurden akzeptiert, sonst gab es sofort Sanktionen. Unter anderem stand im Raum, dass Ihnen sogar Ihr Pferd Wendelstein (Pipsi) weggenommen würde. Nur wegen einer einzigen Drei in Latein. Daraufhin büffelten Sie Ovid wie „ … kein anderer Mensch das je getan hat …“ und haben gewonnen! Das Ergebnis war „ … sehr gut … “ das Pferd blieb! Wenn Ihr Zimmer nicht aufgeräumt war, hat Ihr Vater die Sachen aus dem Fenster in den Garten hinaus geworfen. Sie haben ein Wirtschaftsstudium gemacht, weil Ihr Vater von Ihnen erwartet hat, dass Sie in das Unternehmen einsteigen. Und Sie wagten in all den Jahren keine einzige Rebellion „ … das hätte ich mich einfach nicht getraut … “ Ist Unordnung die einzige Freiheit, die Sie sich bewusst geleistet haben? Waren die Pferde ein Ventil gegen den starken Druck den Ihr Vater auf Sie ausgeübt hat? Durften Sie sich eine echte Pubertät überhaupt leisten?
Ich hab, glaub ich, keine Pubertät gehabt. Die Pferde waren sicherlich auch ein Ventil für mich, vor allem um eigenständig zu arbeiten. Es war ein Rayon, in das sich niemand eingemischt hat. Unordnung ist ein wirkliches Manko, ich kann keine Ordnung haben, ich lebe im Chaos.

Elisabeth Zitat 03Ist das nicht zumindest eine kleine Rebellion?
Nein! Wissen Sie, was das ist: Wenn man sehr konzentriert an die Sachen heran­geht, dann teilt man sich einen Tag sehr genau und intensiv ein. Und dann hab ich WIRKLICH keine Zeit, irgendwelche Papierln zu ordnen. Weil’s eben auch nicht eingeplant ist und dann kommt das alles auf einen Haufen. Wenn man dann verschiedene Haufen an verschiedenen Plätzen hat, kommt halt ein gewisses Chaos zustande. Man erspart sich eben diese nicht sehr produktive Zeit, die man mit Aufräumen verbringen würde.

Dann sind Sie doch irgendwie genial, denn es gibt immerhin den Spruch: Nur der schwache Mensch braucht Ordnung, das Genie beherrscht das Chaos. Wie war eigentlich Ihr Vater? Trotz seiner Impulsivität eher ein verschlossener Mensch oder hat er mehr alles an der Außenseite getragen?
Er war ein ausgesprochen verschlossener Mensch. Ich bild mir aber ein, ich hab ihn sehr gut gekannt. Auch wenn er nicht alles gesagt hat. Ich glaube, wir waren uns sehr ähnlich, und ich hab genau dieselben Augen wie er, er war Linkshänder und ich bin Linkshänder.

1988, kurz vor der Wende, stirbt Ihr Vater, was hat das für Sie bedeutet, als Tochter, kommerziell und organisatorisch?
Das hat mich eigentlich nur als Tochter getroffen. Er war erst 69 Jahre alt und es war für mich undenkbar, dass er nicht mehr da ist. Für die Firma hat ja dann noch mein Onkel die Führungsverantwortung gehabt. Aber es ist mir natürlich schon das erste Mal im Leben klar geworden, dass nicht immer alles so weitergehen kann, wie es bisher gegangen ist.

Die Unvorstellbarkeit, dass so eine Bezugsperson einfach weg ist?
Weg!! Und es war auch das erste Mal, dass ich einen Toten gesehen habe. Dieses Ereignis hat mich schon sehr, sehr getroffen.

Wie alt waren Sie damals?
38 Jahre.

Haben Sie das Gefühl, obwohl Sie ihn noch lange erlebt haben, zumindest bis ins Erwachsenenalter, dass Sie trotzdem noch manchmal Sachen haben, bei denen Sie ihn gerne fragen würden?
Was mich WAHNSINNIG interessieren würde, wie er das beurteilt was ich jetzt mache. Ob er das positiv oder negativ beurteilen würde. Das weiß ich wirklich nicht!

Warum eigentlich nicht, Sie sind ja de facto wahnsinnig erfolgreich, auf allen Gebieten, die Sie angehen.
Das weiß ich nicht. Das wirkt vielleicht in der Öffentlichkeit so. ICH weiß nicht, ob’s wirklich erfolgreich ist. Ich mach die Dinge zwar mit großer Begeisterung, aber ein wirklich erfolgreicher Mensch würde wahrscheinlich noch etwas ganz anderes daraus gemacht haben. Es ist immer die Frage, wo erfüllt man etwas gut, sehr gut oder wirklich exzeptionell. Ich glaub eben immer, dass man die Din­ge noch wesentlich besser machen kann. Nicht dass ich mir jetzt vorwerfe, dass ich etwas Grundlegendes falsch gemacht habe oder versäumt habe. Aber diese wirkliche Genialität, die manche Leute haben, aus einer Sache wirklich etwas Tolles zu machen. Da bin ich nicht davon überzeugt, dass ich das tue. Mein Vater war GENIAL, der war wirklich genial. Er hat Dinge aufgebaut, das war exzeptionell! Ich mach das recht ordentlich, es kann mir niemand vorwerfen, dass ich einen Fehler gemacht habe, aber die Genialität fehlt mir.

Könnten Sie Erziehungsprinzipien Ihres Vaters nennen, zu denen Sie gesagt haben, ja das mach ich genau so oder eben, das mach ich genau nicht so?
Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass Kinder wissen, wenn sie etwas leisten müssen, können sie’s auch. Es ist wichtig für die Selbsteinschätzung, die man dadurch bekommt. Natürlich halte ich es auch für ganz wichtig, Kinder zu Disziplin zu erziehen. Sie sollten einfach gewisse Aufgaben haben, die sie erledigen müssen. Man darf nicht vor lauter Liebe immer wieder sagen, ach Gott, das Wichtigste ist, dass ihr glücklich seid. Und man muss Kinder fordern. Es ist einfach so, dass man in der Jugend leichter lernt und daher soll man schon deshalb Druck ausüben. Aber natürlich hält nicht jeder diesen Druck aus. Ich war bei meinen Kindern nicht so streng, obwohl ich das anerkenne, wie wir erzogen wurden. Ich hab einfach das Gefühl, nicht alle stehen das durch.

Also schon auch individuell eingehen auf die Naturelle?
Ja, absolut! Ich habe meine Kinder mit einem Mittelmaß erzogen. Schon mit einem gewissen Druck, vor allem die Schule betreffend, aber nicht mit den exorbitanten Anforderungen, die wir miterlebt haben.
Elisabeth Gürtler beschreibt Helmut Lohner als gutherzigen, überaus gebildeten, sportlichen Humanisten. Das Geheimnis für die seit 16 Jahren geglückte Partnerschaft setzt sich aus mehreren Details zusammen. So meint sie, dass beiderseitige Reife und damit verbundene Toleranz – „wir haben gelernt uns gegenseitig zu akzeptieren“ – ebenso wichtig sind, wie parallele Lebensrhythmen. Wenn sich der Lebensrhythmus zu sehr unterscheidet, erzeugt das in Beziehungen einen furchtbaren Frust. Ihre sehr unterschiedlichen Welten ergänzen sich durchaus auf interessante Weise. Für ihn sind ihre „laienhaften“ Ansichten über seine Inszenierungen und das Theater im Allgemeinen sehr wichtig. Für sie hingegen sind die Meinungen eines „laienhaften Hotelgastes“ sehr erhellend. So könne sie die Bedürfnisse ihrer Gäste aus einer anderen Perspektive sehen.

Ich stell mir das wahnsinnig schwierig vor, wie sich Ihre beiden doch sehr unterschiedlichen Welten und Naturelle vertragen. Sie sind eher konservativ, sehr organisiert und er ist eben auf der anderen Seite …
… liberal, sozial, mit einem unglaublichen Gerechtigkeitssinn, ein sozialdemokratisches Denken, aber ideologisch gemeint. An und für sich sehr gut, Marxismus ist als Ideologie ja auch gut. Hat aber mit der Praxis nichts zu tun. Und er ist von Ideologie getrieben, von Unorganisiertheit und Spontaneität. Er glaubt immer noch an das Gute im Menschen.

Sie müssen eine sehr tiefe seelische Basis haben bei so großen Unterschieden. Könnten Sie das irgendwie definieren?
Wir haben uns sehr, sehr gerne und natürlich Vertrauen, hundertprozentiges Vertrauen und Sicherheit.

Sicherheit in welcher Weise?
Die Sicherheit, dass es nichts gibt, was für mich unvorhersehbar wäre bei ihm. Also ich bin überzeugt, er würde mich nie negativ überraschen.

Sie sind seit 16 Jahren mit Helmut Lohner liiert. Würden Sie mit ihm für den Rest Ihres Lebens auf eine einsame Insel ziehen?
Ja! Würde ich. Nicht unbedingt gern, aber ich würde.

Glauben Sie, dass es eine einzige gro­ße Liebe im Leben eines Menschen gibt oder kann sich das auch wiederholen?
Also, ich glaube schon, dass man mehr als einmal eine große Liebe haben kann. Nur glaube ich nicht, dass das alle paar Jahre kommt. Ich glaube auch, dass es in jeder Phase des Lebens etwas anderes ist zu lieben. Wenn man jung ist, liebt man wahrscheinlich anders als im Alter.

Sie haben den Alterungsprozess lan­ge erfolgreich gebremst. Wenn Sie wirklich einmal alt sind, wer wäre dafür ein Vorbild?
Es gibt so weise Frauen, wie diese unglaubliche deutsche Gräfin Dönhoff. Eine tolle Person. Wenn man im Alter nur hässlicher wird und das nicht mit Klugheit, Weisheit und vielleicht auch Güte kompensieren kann, dann ist das Leben schlecht gewesen. Die Mani Sayn-Wittgenstein gefällt mir als ältere Dame auch sehr gut. Sie versucht sich nicht krampfhaft jünger zu geben als sie ist, hat sich aber keineswegs aufgegeben. Maria Altmann, die Erbin der Klimt-Bilder, ist auch ein absolutes Vorbild dafür, in Würde alt zu werden. So ausgeglichen, so kultiviert. Das muss man ja alles einmal durchgemacht haben. Sie ist in Würde gealtert und dadurch nicht gealtert. Das geht aber nur, wenn man sehr klug ist.

Ihr Lieblingsschriftsteller ist Joseph Roth. Welches seiner Werke lieben Sie besonders und warum?
Radetzkymarsch!

Weil?
Weil ich diesen Film gesehen habe mit Helmut Lohner. Ich habe ihn leider damals nicht gekannt, aber er war zu dieser Zeit sicher der schönste junge Mann, den es auf der Welt gegeben hat. Und dann das Buch, das war wirklich toll.

„ … Glück bedeutet für mich, in Harmonie mit den eigenen Vorstellungen, der Umwelt und den Mitmenschen zu leben … “ Gibt’s da nicht noch was?
Harmonie mit den Menschen, die einem wichtig sind und vor allem auch mit dem eigenen ICH.

Elisabeth Zitat 01Sie haben einmal gemeint: „ … ich bin ein Medium für schwierige Menschen, ich weiß nicht warum … “ Wissen Sie’s inzwischen?
Nein, das weiß ich noch immer nicht, aber ich bin wirklich ein Medium für schwierige Menschen. Mein verstorbener Mann war schwierig, der Helmut Lohner ist ja auch nicht gerade einfach, mein Vater, Herr Holender, die waren alle schwierige Menschen. Ich ziehe sie wirklich an.

Sie fühlen sich auch von denen angezogen?
Ich suche sie nicht, die spüren automatisch, dass ich auf sie eingehe, mir da was gefallen lasse. Rücksicht nehme auf Befindlichkeiten, mich mit ihren Problemen beschäftige.

Aber sind für Sie diese Menschen nicht auch die interessanteren?
Nein, sie beschäftigen einen, man setzt sich mit ihnen auseinander. Weil sie einem so viel zum Auflösen geben.

Gerade wenn jemand so viele Interessen hat, wie Sie sie eben haben, muss das doch wahnsinnig nervend sein? Wenn dann jemand da ist, der dann auch noch Aufmerksamkeit braucht?
Ich war sechs Jahre mit einem sehr interessanten und intelligenten Mann befreundet, der war extrem, wirklich extrem schwierig. Das ist genau in die Zeit gefallen, in der ich das Hotel übernommen habe. Da hab ich dann einfach sagen müssen, das kann ich nicht, das geht nicht, die Nerven hab ich nicht und die Zeit hab ich auch nicht.

Und da sind dann die Verpflichtungen, die man hat, doch primär?
Das schafft man ja gar nicht, da gehört ja auch Zeit dazu, die man sich da nimmt.

Sie sagten einmal: Die Scheidung war mein größter Misserfolg, das muss ich akzeptieren, ich habe ihm das wirklich übel genommen. Wussten Sie damals, warum Ihr Mann die Scheidung wollte? Oder wissen Sie’s heute?
Ich weiß es heute noch nicht! Nein! Ich hab’s am Telefon von seinem Bruder erfahren. Und mein Mann hat sich dann auch alles weitere mit meinem Vater ausgemacht.

Mit Ihrem Vater? Hat das vermögensrechtliche Gründe gehabt?
Nein, mein Vater war einfach der Ansprechpartner für ihn.

Bewundernswert ist, dass Sie trotz dieser Vorgangsweise Ihres Mannes nach zehnjähriger Ehe später ein so gutes Verhältnis zu ihm gehabt haben.
Man hat ja gemeinsame Kinder. Natürlich gab es Meinungsverschiedenheiten, aber da gab es schon eine Basis.

Nach der Scheidung haben Sie das Hotel sieben Jahre nicht betreten „ … ich konnte einfach nicht … “ haben Sie einmal gesagt. 1990 wurden Sie Geschäftsführerin der Hotel Sacher-Betriebsgesellschaft. Sind Sie durch das Testament Ihres geschiedenen Mannes zum Vormund und Vermögensverwalter Ihrer Kinder auserkoren worden. Wann wollen die Kinder übernehmen?
Wann sie Lust dazu haben, es gehört meinen Kindern. Eine Übergabe braucht Zeit und es ist mein oberstes Ziel, ein bestelltes Haus zu übergeben. Sie sind im Hotel, sie kennen sich aus, sie werden vielleicht jetzt nicht gezwungen, in der Intensität zu arbeiten, sie haben ja noch ihr Leben vor sich.

2005 wurde das Hotel um zwei Geschoße aufgestockt. Sie waren damals lautstarker Kritik ausgesetzt. Das Denkmalamt hat sogar einen Baustopp gefordert. Ihr Argument damals: „Wir machen Wien kaputt, wenn wir sa­gen, es darf nichts verändert werden“. Würden Sie dem Satz zustimmen „Tradition muss kompatibel bleiben mit anwendbarer Gegenwart, sonst wird man zum Zombie“? Ist das der eigentliche Grundgedanke dabei, oder wie würden Sie das sagen?
Tradition ist etwas, was sich ständig mit der Zeit verändern muss. Das gute Alte soll bewahrt bleiben. Aber nicht alles, gewisse Dinge müssen mit der Zeit gehen, sonst sind sie nur mehr für ein Museum gut.

Für die Renovierung der verschiedenen Stockwerke haben Sie und Ihre Tochter Alexandra Winkler den französischen Designer Pierre-Yves Rochon engagiert. Man sagt, er hätte es sogar verstanden, den Spa-Bereich der Sacher Tradition anzupassen.
Nein, den Spa-Bereich hab ich selber gemacht.

Apropos Spa, das Sacher hat jetzt sogar seine eigene Körperpflegelinie auf Schokoladebasis. Das glaubt man ja nicht?
Das ist sogar eine eingetragene Marke.

Ja, aber Schokolade? Wie geht das?
Das wird auf der Basis von Kakaobutter gemacht. Kakao ist das pflegende Element, die Marke heißt „Time To Chocolate“.

Es verlassen 360.000 Torten jährlich das Haus. Kann man so eine Zahl auch stabil bleiben lassen oder muss immer gesteigert werden, um auch weiterhin zu überleben?
Es gibt sicherlich einen Punkt, ab dem man nicht mehr steigern kann, aber der ist noch nicht erreicht.

Wenn ein Filmregisseur die Sacher-Torte verfilmen wollte, wen würden Sie als Darsteller der Sacher-Torte empfehlen?
Eine sehr merkwürdige Frage. Schwierig, eine Sacher-Torte muss rund sein.

Oder dreieckig?
NEIN!! Am ehesten Luciano Pavarotti. Er war rund genug und man nimmt ihm Lebensfreude ab.

Und wenn Sie selbst eine Süßspeise wären, als was würden Sie sich sehen?
Kein Zitronentörtchen, aber ein Eis, dass man zwar schleckt, aber nicht gleich aufisst.

Haben Sie eine bestimmte Management-Philosophie? Nach eigener Aussage sind Sie ein furchtbarer Improvisator und agieren total intuitiv.
Wenn ich zum Beispiel Personalentscheidungen treffe, gibt’s das Alter, das curriculum vitae, die Zeugnisse, aber Anderes ist dann noch viel wichtiger. Manchmal hör ich gar nicht zu, was eigentlich gesagt wird, ich schau jemandem einfach in die Augen und mach mir ein Bild davon, was ist das für ein Mensch? Das ist dann rein gefühlsmäßig und ich treff dann meine Entscheidung eigentlich schon nicht mehr rational.

Aber was, wenn der Kopf etwas GANZ anderes sagt, als die Intuition, der Bauch?
Wenn ich nur mir selbst verantwortlich bin, entscheide ich nach dem Gefühl, wenn ich meine Entscheidungen rechtfertigen muss, nur nach dem Kopf, sonst fehlt mir das Argument.

„ … eine Dame, die mit ihren Emotionen umzugehen weiß … “ das war irgendwann eine Headline über Ihre Person. Wenn man das immer weiß, hat man da nicht auch einen wichtigen Teil seines Lebens einfach abgegeben?
Je älter man wird, desto besser weiß man, wie man Emotionen in den Griff kriegt. Das heißt natürlich nicht, dass man keine hat. Wenn man aber emotional berührt wird, weiß man wie man damit umzugehen hat, einfach um weiter existieren zu können, sonst leidet man. Eins will ich nicht! Ich will nicht leiden und ich will mich auch nicht aufregen.

Sie geben sich Ihren Aufgaben ganz hin. Genügt Ihnen die Befriedigung, eine Aufgabe perfekt erfüllt zu haben?
Es genügt mir nicht, weil es dann erledigt ist. Immer wenn man etwas anstrebt und man hat’s erreicht, ist man ja deshalb nicht glücklicher. Es wird abgehakt und man wendet sich dem nächsten zu. Ich erinnere mich, nachdem ich meine erste M-Dressur gewonnen habe, hab ich mir gedacht, was hat sich jetzt eigentlich geändert? Es war mir GANZ wichtig gewesen, ich wollte sie unbedingt gewinnen. Nachdem ich es erreicht hatte, habe ich mich gefragt, bin ich jetzt eigentlich glücklich?? Glücklicher???

Und was ist jetzt eigentlich die Belohnung für all diese Sachen?
Das weiß ich nicht. Das weiß ich wirklich nicht! Ich glaub eigentlich, man läuft und läuft und läuft. Ich weiß nicht warum ich das mach. Man hat natürlich immer das Gefühl, man hat jetzt was Gescheites gemacht. Man hat doch auch immer die Angst, dass man ein sinnloses Leben lebt. Vielleicht hat das auch mit meiner Erziehung zu tun. Man hat mir immer gesagt, wie sinnlos manche Frauen leben. Nur für Tratsch und Aussehen und sich ihren Grundpflichten den Kindern gegenüber nicht einmal bewusst sind. Mein Vater hat einmal zu mir gesagt, nur unnütze Menschen schlafen in der Früh. Ich bin von der Ansicht getrieben, eine Aufgabe zu erfüllen. Und ich habe bei vielen Dingen eben das Gefühl, das ist etwas was ich erfüllen könnte und dann natürlich auch möchte.

Also das Leben ist vor allem Verpflichtung. Wie wir das alle eben gelernt haben, Träume sind sekundär!
Träume habe ich nicht. Aber ich denk mir oft, würd ich noch einmal leben, ich würd mir mein Leben anders einteilen. Ich würde auch einen Beruf ergreifen, in dem ich ganz auf mich selbst gestellt bin. Ich bin nicht wirklich ein Teamarbeiter. Weil ich vor allem vom langen Herumreden nichts halte.

Sie werden von Menschen, die Sie kennen, als warmherzig beschrieben. Würden Sie sich selber auch so bezeichnen?
Ich leide unter so genannter Warmherzigkeit. Deshalb bau ich zu meinem eigenen Schutz etwas rund um mich auf. Damit es mir weniger weh tut, wenn etwas nicht so ist, wie ich das irgendwie bräuchte.

Sie haben jetzt einen großen Kreis vermeintlich befreundeter Menschen. Wer glauben Sie wird Ihnen bleiben, wenn Sie sich einmal von allem zurückgezogen haben?
Das würd ich gern wissen!

Wie muss ein Mensch sein, dass Sie gerne Zeit mit ihm verbringen, wenn Sie es NICHT müssen?
Es muss interessant sein, mit ihm zu sprechen. Er muss mich als Persönlichkeit ansprechen, muss aus sich heraus etwas haben, das mich echt interessiert. Er muss vor allem authentisch sein.

Zu Ihren besten Freundinnen zählt Helene van Damm, of all persons, die zweite Frau Ihres Mannes. Wie das?
Weil Sie ein good sports man ist. Weil Sie meine Kinder wirklich sehr liebt. Sie ist okay, ein sports girl.

Ihre geheime Liebschaft ist Ihr Blackberry. Den würden Sie auch als einziges Nichtlebewesen aus ihrem brennenden Haus retten wollen. Gibt es noch andere Gegenstände, denen eine ähnliche Zuneigung gilt?
Mein Kalender, meine Brillen und mein Notizbuch. Und die Zettel, die ich in der Nacht schreibe.

Sie sind notorische Frühaufsteherin und Frühschläferin. Die Gerüchte gehen von 4 Uhr, 5 Uhr bis 6 Uhr Früh. Was stimmt jetzt?
Ich bin meistens um 5 Uhr wach oder halb 5, leider Gottes. Ich beneide alle Leute, die herrlich schlafen und irgendwann in der Früh gemütlich aufwachen und sagen können, sie fühlen sich jetzt wohl. Ich bin in der Früh wach, wach und es ist noch nicht Tag. Das ist andererseits meine produktivste Zeit, da kommen mir die besten Ideen. Ich habe immer einen Block neben meinem Bett und schreib noch im Dunklen die Sachen auf. Dann turne ich, gehe laufen und schwimme im Pool der 20 Grad hat.

Ferien machen Sie nie, der Poststapel wäre anschließend zu hoch, haben Sie vor längerem gemeint. Stimmt das noch? Ich meine nicht das mit dem Poststapel, sondern das mit den Ferien?
Ich werde dieses Jahr erstmals eine Woche Ferien auf einem Schiff machen. Ich bin schon sehr neugierig.

Früher war es Ihr Lebensziel am Land auf einem Hof, mit einem Rudel Hunden und vielen Pferden zu leben. Aber leider sagen Sie, sind Ihre vielen Aufgaben mit dem Landleben nicht vereinbar. Würden Sie das heute immer noch lieber haben, oder gehört das in den besprochenen Bereich der Träume, die eben nicht zum Leben gehören ?
Ich finde das Landleben immer noch wunderbar. Allerdings weiß ich nicht ob ich’s heute noch schaffen würde. Aber ich würde wahrscheinlich mit all den Hunden und Pferden dort auch wieder eine Aufgabe finden.

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