AGNES HUSSLEIN-ARCO unplugged – VON 2007

Gibt es zwei Agnes Hussleins? Die eine ist eine von Politikern und Boulevard-Presse kreierte „Society-Lady“, die durch ihr Naheverhältnis zur FPÖ den Sotheby’s-Job verloren hat und zum Ausgleich von Andreas Mölzer zur Rupertinum-Chefin gemacht wurde, damit sie dort ihren Hund von den Angestellten jagen lassen kann und jeden feuert, der das nicht begeistert mitmacht, um inzwischen selbst durch kaufmännische Inkompetenz zu glänzen. Diesen hundertmal widerlegten und für Kenner grotesken Vorwürfen steht eine völlig andere Agnes Husslein gegenüber, wie sie die internationale Kunstszene und der seriöse Journalismus kennen: Die einzige österreichische Kunstmanagerin von internationalem Format, die schon als Sotheby’s-Chefin über Österreich hinauswuchs und zur zentraleuropäischen Größe wurde. Die den öster­- reichischen Kunstmarkt nachhaltig prägte und veränderte, bis eine kleinliche Intrige dafür sorgte, dass Sotheby’s Husslein verlor. Die anschließend in Salzburg das neue Museum auf dem Mönchsberg in Rekordzeit aus dem Boden stampfte und mit sensationellen Exponaten füllte. Die nebenbei als Rupertinum-Chefin Besucherzahlen und Budget mehr als verdoppelte und dabei auch noch aus den roten in die schwarzen Zahlen kam – was die Feindseligkeit der Roten hinrei­chend erklärt. Die zusätzlich als Wochenendhausfrau und -mutter 300 km entfernt zwei Kinder vorweisen kann, die ohne Probleme ihre Ausbildung ab­schließen und beruflich in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. Die laufend Sponsorengelder internationaler Mäzene und Topexponate der internationalen Sammlerelite in die kleine österreichische Kunstszene lenkt und alles, was sie anfasst, zum Erfolg macht. Die jetzt auch den etwas verschlafenen Betrieb der Belvedere Galerie zu neuen europäischen Dimensionen führt. Sie strahlt Selbstbewusstsein aus, das nicht auf dem historischen Namen, sondern auf Kampfgeist, Begeisterung, Improvisationstalent, Sich-Durchbeißen und Disziplin beruht. Also ein echtes Alpha-Weibchen. Ihr smile ist unverkrampft, sie wirkt wie ein Mensch, der Unerfreuliches gern und leicht vergisst. Hinter dieser Erscheinung der Agnes Husslein verschwindet beinahe der Mensch Agnes, die Frau, die sich in einer harten Männerwelt durchsetzen muss, mit ihren Träumen, Hoffnungen und Ängsten, mit ihrem Humor, ihren Freuden, Verzweiflungen und ihren Geheimnissen.

ANGELIKA WALDSTEIN: Ein Lebenslauf für 19 Leben. Außerdem bist Du verheiratet mit dem Univ. Prof. Dr. Peter Husslein, Vorstand der Universitätsfrauenklinik in Wien und hast zwei Kinder. Frage, wie geht das, ist das pure Organisation und Disziplin, oder hast du ein geheimes Batmankostüm im Kasten?
AGNES HUSSLEIN: Zur Organisation und Disziplin – die beide sehr wichtig sind – würde ich noch Engagement für die Kunst und Freude am Gestalten hinzufügen. Ich treff meine Entscheidungen sehr emotionell aus dem Bauch heraus, ich sag mir: „… also das mach ich jetzt …“, und erst nachher weiß ich, was hab ich mir jetzt wieder angetan.

Du hast einmal gesagt, die zwei prägenden Persönlichkeiten Deines Lebens waren Dein Vater Graf Arco und Dein Großvater mütterlicherseits, der berühmte Maler Herbert Boeckl. Beiden ist gemeinsam, dass Du sie allzu früh verloren hast. Dein Vater ist mit nur 57 Jahren von einem Auto überfahren worden, als Du am Beginn Deiner Karriere standest. Dein Großvater, einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts, starb mit nur 71 Jahren. In diesem Alter stellt man viele Fragen noch nicht, die man später gerne gestellt hätte. Welche Fragen hättest Du gerne noch Deinem Großvater und Deinem Vater gestellt?
Ich war noch sehr jung, als mein Großvater gestorben ist. Trotzdem hat er mich durch seine eindrucksvolle Persönlichkeit sehr geprägt. Rückblickend hätte ich mich natürlich gerne über seine Seele als Künstler unterhalten. Ich hätte einfach gerne mehr von ihm gewusst, um mir ein Bild zu machen, wie sich sein persönliches Leben, seine Erfahrungen, sein Fühlen und Denken in seinen Bildern ausdrückt. Ich war 12, als er gestorben ist, aber ich habe ihn wirklich sehr intensiv erlebt. An unmittelbare Details kann ich mich nicht erinnern, aber in meinem Geist sehe ich meinen Großvater und Wotruba wandern und streiten. Der Papi hat mit ihm eine sehr intensive Beziehung gehabt. Also die beiden waren wirklich köstlich. Die waren ein bisschen wie Filopat und Patafil. Sie waren sehr verschieden, haben aber trotzdem unheimlich viel Respekt für einander gehabt. Der Papi hat viel Sensibilität und Interesse für Kunst gehabt, und war auch historisch und kunsthistorisch wahnsinnig gebildet. Er war es auch, der uns jeden Samstag aus der Schule abgeholt hat, wir sind dann zu unserem Großvater ins Atelier gefahren, hier in der Argentinier Straße. Die Hunde sind rauf gelaufen ins Atelier und der Großvater, der ein großer Feinspitz war, hat Lachsschinken gegessen und den Hunden davon gegeben. Wir Kinder hätten auch so ger­ne Lachs­schinken gegessen, haben aber keinen bekommen, wir haben silberne 25er bekommen. Er hat dort gethront und wir hätten nie gewagt, etwas zu sagen. Mein Großvater hat neun Kinder gehabt, die Mami war seine Lieblingstochter. Aber das Größte war – mein Vater. Der Papi und mein Großvater sind mit uns Kindern auf Motivsuche gefahren. Wir haben uns wahnsinnig geniert, dass der Papi mit einem Opel Kapitän durch die Gegend gefahren ist. Virginia rauchend sind die beiden vorn gesessen. Wir Kinder sind ohnmächtig hinten gelegen und haben gespieben wie die Reiher, und sie haben inzwischen die Landschaft angeschaut. Mit diesen Bildern bin ich aufgewachsen. Wir sind natürlich sehr streng erzogen worden. Der Papi hat uns immer eingebleut, dass man „conversation agréable“ wie Tante Gabi und die Großmama zu machen hat. Es war dem Papi auch sehr wichtig, dass wir in zusammenhängenden Sätzen sprechen. Großvater hat dagegen in schwerem kärntnerisch und vollkommen unzusammenhängenden Sätzen Geschichten voller Fantasie erzählt. Wir waren einerseits beeindruckt von seiner doch unglaublich imposanten Persönlichkeit, andererseits waren wir doch geniert, da er das Gegenteil davon gelebt hat, was uns gepredigt wurde. Nichtsdestotrotz hatten wir großen Respekt vor diesem mächtigen Mann. Je älter ich geworden bin, desto mehr hat die Wertigkeit meines Großvaters zugenommen. Natürlich war ich auch sehr unter dem Eindruck des Respekts, den seine Kollegen vor ihm gehabt haben. Andere Maler aus der Zeit und selbstverständlich seine Schüler. Alle haben ihn immer zitiert: „ … also der Boeckl hat das gesagt oder das gesagt …“, obwohl er in unzusammenhängenden Sätzen gesprochen hat. Da hab ich mir dann gedacht, dass die Wertigkeiten doch ganz verschieden sind. Zu Deiner Frage – natürlich hätte ich mich in vielem noch gerne mit meinem Großvater unterhalten. Über sein persönliches Leben und seine Erfahrungen. Er hat ja auch ein sehr komplexes Leben gehabt, aber darüber hat man nicht gesprochen. Ich hätte sehr gern mehr über sein persönliches Leben gewusst und besonders über die Seele des Künstlers. Auch hätte ich gerne gewusst, wie sich die verschiedenen Zeiten und Kriege auf ihn ausgewirkt haben. Je älter er geworden ist, desto mehr ist er auch ein religiöser Mann gewesen. Vieles hab ich versucht zu recherchieren, aber gewisse Dinge kannst Du nie in Erfahrung bringen. In Seckau die Engelskapelle zum Beispiel, da sind viele persönliche Emotionen, Erlebnisse und Erfahrungen drinnen. Die habe ich in meiner Dissertation versucht zu interpretieren. Aber weiß ich’s? Ist das die richtige Interpretation? Je älter ich geworden bin, desto mehr habe ich gemerkt, wie sehr er mich eigentlich geprägt hat. Natürlich habe ich gewisse Gene für Kunst und Farben mitbekommen.

Agnes Zitat 02
Hat Dich das Frauenbild Deines Großvaters auch irgendwie geprägt?

Er hat gerne schöne Frauen gehabt, aber das nur spaßhalber, da gibt’s köstliche Geschichten. Das spiegelt sich natürlich bei vielen Künstlern in dargestellten anonymen Figuren, auch in Heiligenbildern wieder. Das sind immer auch Portraits gewesen. Was ich Dir sagen kann, dass ich das, was ich heute mache, mache weil ich diesen Großvater, wenn auch nur kurz, erlebt habe. Wie schwierig es für einen Künstler ist, die Plattform für Ausstellungen zu bekommen und überhaupt als Künstler in unserer Gesellschaft zu bestehen, mit diesen Ängsten habe ich sehr mitfühlen können. Das war auch einer meiner Beweggründe, nach meinen Erfahrungen mit Sotheby’s und Guggenheim, dass ich gesagt habe, ich will mich einfach dafür einsetzen, Künstlern zu ihrer Position zu verhelfen. Ich verfüge doch über ein recht interessantes internationales Netz­-werk und kann gut organisieren – deswegen bin ich in den Museumsbereich gegangen. Mit meinem Vater hätte ich mich gerne – und das tut mir wirklich leid, dass das nicht stattgefunden hat – darüber unterhalten, wie schwierig es für ihn gewesen sein muss, all unsere Besitzungen in der Tschechei zu verlieren. Heute weiß ich, dass er dieses Gespräch auch gebraucht hätte. Gerade seinen Kindern hätte er wahrscheinlich gerne mehr von seinem damaligem Leben erzählt und wie schwierig es für ihn war, alles zu verlieren und noch einmal neu anzufangen. Er selbst hat das Thema nie aufgebracht und ich war zu jung, um die Zusammenhänge zu verstehen. Mein Vater (sie beginnt zu weinen), das ist ein sehr wunder Punkt in meinem Leben. Wenn man sich vorstellt, was der für eine Freude gehabt hätte, wenn er gesehen hätte, was aus uns drei Kindern geworden ist. Mein Bruder, der Kari, ist ja auch extrem erfolgreich. Meine Eltern haben sich alles abgespart für uns Kinder, und selber auf alles verzichtet. Mit welcher Contenance er sein Schicksal getragen hat, war unglaublich. Er hatte ja auch nichts lernen können, da er im Krieg eingezogen war. Was hätte ihn das gefreut, dass alle seine Kinder ein Studium haben. Wenn mein Vater etwas gesagt hat, hat niemand gewagt zu widersprechen, zumindest nicht wirklich. Vom Charakter her und auch optisch bin ich ihm sehr ähnlich. Er ist eigentlich ums Leben gekommen, weil die Ärzte in Birmingham, diese Idioten, ihn kaputt gemacht haben. Er ist von einem Auto überfahren worden und sie haben eine kleine innere Verletzung übersehen, an der er verblutet ist. Da er die ganze Familie dominiert hat, war es für uns alle sehr schwer. Ich hab dann sehr viel übernommen, der Kari war ja ein kleiner Bub. Je älter Du wirst, desto mehr weißt Du, was Du noch reden möchtest mit ihm. Es gibt soviel, was ich noch nicht weiß. Meine Schwester Edith war sein absoluter Liebling und hat auch mehr mit ihm geredet.

Auf welche Weise haben sie Dich geprägt?
Seine Liebe, die von ihm geforderte Disziplin und die große Bedeutung der Familie waren prägende Einflüsse meines Vaters. Von meinem Großvater habe ich vielleicht das Gefühl von fehlenden Schranken im Leben mitbekommen, die Vorstellung, dass „alles möglich ist, wenn man es nur will“.

Du kennst Deinen Mann seit Deinem 15. Lebensjahr, zeitweilig hörte man, Ihr wärt geschieden oder getrennt, wenn das je gestimmt hat, was hat Euch letztlich wieder zusammengebracht?Ich glaube, dass die Entwicklungen im Leben nicht immer parallel gehen, vor allem, wenn die Frau selbstständig ist. Wenn zwei eigenständige Personen zusammenleben, hat jeder seinen „Lebenskreis“. Eine gute Partnerschaft besteht darin, dass sich ein Teil der beiden Kreise überlappt und eine „gemeinsame Fläche“ ergibt. Wenn man lange miteinander lebt, dann schwankt das Ausmaß dieser gemeinsamen Fläche. Eine Zeitlang war sie für uns tatsächlich klein, jetzt ist sie wieder größer. Dass das funktioniert, hat etwas mit gegenseitigem Respekt einerseits und andererseits mit gemeinsamen Werten und Interessen zu tun. Wenn man Kinder hat, hat man natürlich auch Verantwortung und da muss man halt durch.

Du führst mit Peter einen, wie man früher gesagt hätte, „intellektuellen Salon“. Ist das eher Dein Kind oder das Deines Mannes?
Diesen intellektuellen Salon hat mein Mann eingeführt. Er hat es nicht wahnsinnig gerne, wenn bei einem Essen nur bla, bla stattfindet. Er ist halt wirklich auch ein Mann von hohem Intellekt. Wir haben Diskussionen zum Beispiel mit Vizekanzler a.D. Busek, Wirtschaftsminister Bartenstein und Wissenschafts­minis­ter Scholten geführt – und das hat niemanden interessiert. Nur auf den Diskussionsabend mit Thomas Prinzhorn ist ein Teil der Journalisten und der Gesellschaft „abgefahren“. Das muss einem schon zu denken geben – heute kann ich darüber nur mehr schmunzeln.

Peter ist offensichtlich ein Mann, für den eine erfolgreiche Frau kein Problem darstellt. Er hat selber eine relativ starke und unabhängige Mutter gehabt. Würdest Du sagen, dass eine solche Erfahrung bei Männern der Knackpunkt ist, damit leicht umgehen zu können. Nämlich eine emotionale Erfahrung, keine kopfige?
Peter geht in der Tat recht gut mit meinem Erfolg um. Wahrscheinlich ist das eine Kombination aus frühkindlichen Erfahrungen und Genetik. Zu einem beträchtlichen Teil hat es aber auch damit zu tun, dass er viel Freude und extremen Erfolg in seinem Bereich hat. Viele außerberufliche Interessen kommen da noch dazu. Er interessiert sich auch selber für Kunst. Vor allem ist er aber eben eine gefestigte Persönlichkeit, die das aushält.

Am Werdegang der Kids – Katharina studiert Kunstgeschichte und arbeitete bei Christie’s in London, Heinrich studiert Medizin – sieht man, dass sie den Eltern nicht nachtragen, dass sie nicht Bauklötzchen kombinierend auf allen vieren am Fußboden gerobbt sind. Wie hast Du geschafft, dass Deine Kinder sich so entwickelt haben?
Du wirst lachen, wir sind auch auf allen vieren am Fußboden gemeinsam gerobbt. Ich habe mich immer bemüht, „qualitativ wertvolle Zeit“ mit meinen Kindern zu verbringen. Hier muss ich aber auch meinem Mann Peter einen hohen Tribut zollen. Auch er hat sich mit viel Zeit und Engagement der Entwicklung der Kinder gewidmet. Ich glaube, wir ergänzen uns da wirklich sehr gut. Die Kinder sind auch bei Sotheby’s im Büro gesessen und haben dort gespielt. Sie sind schon mein Ein und Alles! Natürlich habe ich ein ganz phantastisches Kindermädl gehabt. Katharina studiert mittlerweile Kunstgeschichte in Wien und arbeitet in Galerien und Museen. Heinrich war Vizeeuropameister im Wasserschifahren und hat sein Medizinstudium in kürzester Zeit erfolgreich abgeschlossen. Er hat eine Zeit lang am AKH gearbeitet und pendelt momentan nach Mistelbach, um chirurgische Grundkenntnisse zu erwerben – dies nur zur Aktualisierung.

Fast ganz vergessen habe ich, vor New York warst Du, noch ganz jung verheiratet, mit Peter in Togo. Was hast Du dort auf den Kopf gestellt?
Das war quasi meine Hochzeitsreise.

Dass Du dort auf dem Canapé gesessen bist und Gummibärli gekaut hast, ist schwer vorstellbar.
In Togo habe ich nichts auf den Kopf gestellt. Retrospektiv betrachtet eine sehr bereichernde Zeit. Für Peter beruflich und für uns beide menschlich. Wer die Dritte Welt nicht „im normalen Leben“ erlebt hat, kann über dieses Problem eigentlich nicht diskutieren. Wie diese Menschen dort leben, wie man eigentlich Entwicklungshilfe betreiben sollte.

Mehr Hilfe zur Selbsthilfe?
Ja natürlich. Du kannst ihnen nicht etwas aufoktroyieren, das unseren Vorstellungen entspricht. Das ist auch mit einer der Gründe, warum ich der Auffassung bin, dass ein Ressourcenausgleich zwischen Erster und Dritter Welt erfolgen muss. Vornehmlich aus moralischen Gründen, aber nicht zuletzt auch aus Gründen des Überlebens.

Des Überlebens für beide Seiten?
Für beide Seiten. Die Zeit in Afrika hat meine Sensibilität für diesen Kontinent unheimlich geschärft. Da möchte ich sicherlich auch noch einmal etwas tun. Aber tatsächlich habe ich damals dort nichts machen können. So etwas macht mir schon Schwierigkeiten, nämlich gar nichts machen zu können. Sie war es, die Sotheby’s 1981 zu einer Wien-Filiale drängte, dann durch ihr massives Engagement den österreichischen Kunstmarkt überhaupt erst aufgebaut und international gemacht hat. Viele von ihr gebrachte Änderungen des Kunstmarktes haben bis heute Gültigkeit: Wegen Agnes Husslein musste das Dorotheum kostenlose Schätzungen anbie­ten und vom Rufpreis zum Schätzpreis übergehen. Von ihr eingeführt, werden heute überall Wohltätigkeitsveranstaltungen und Fundraisingdinners zur Kunst- und Museenförderung eingesetzt.

Das Weggehen (nach 20 Jahren Aufbau) von Sotheby’s war in Wahr­heit doch ein Glück, da es für Dich ganz neue Herausforderungen gebracht hat, die aus dem vermeintlichen Karriereknick einen Knick hinauf gemacht hat. Siehst Du das rückblickend auch so?
Nach 20 Jahren Sotheby’s habe ich selbst das Gefühl gehabt, dass es genug ist. Die Zeit mit Sotheby’s war schön, aber im Inneren meiner Seele habe ich damals eine neue Herausforderung gesucht. Trotzdem war es naturgemäß so, dass ich – kurzfristig – darunter gelitten habe, dass der Zeitpunkt des Austretens nicht von mir alleine festgelegt wurde. Rückblickend herzlichen Dank an alle, die damals daran beteiligt waren!

Warum ist es 1996 eigentlich nicht mehr dazu gekommen, dass Du den Opernball übernommen hast?
Den Opernball zu entwickeln und zu einem gesellschaftlich und wirtschaftlich noch attraktiveren Ball, als er jetzt ist, zu machen, hätte mich damals und durchaus auch noch heute gereizt. Ich glaube auch, dass ich mit meinen Verbindungen eine gute Chance gehabt hätte, mich hier konstruktiv einzubringen. Gegenüber dem Belvedere und den wunderbaren Möglichkeiten, die sich dort ergeben, steht der Opernball natürlich deutlich zurück.

Das neue Haus auf dem Mönchsberg wird gerade von den Salzbur­gern und auch international heute sehr angenommen. Die Künstler lieben es. Tröstet das etwas über die vielen unqualifizierten Beschimpfungen?
Auf das Haus am Mönchsberg bin ich wirklich wahnsinnig stolz! Wo immer ich herumkomme, höre ich, dass es sehr respektiert wird. Alle Künstler lieben es und auch die Sammler. Vor allem aber haben es die Salzburgerinnen und Salzburger geradezu enthusiastisch angenommen. Dass ich das geschafft habe, hat mir natürlich auch über vieles hinweggeholfen. Bis heute kann ich diese unqualifizierten Anfeindungen nicht nachvollziehen.

Agnes Zitat 04In Salzburg wurdest Du trotz unbestritten großer Erfolge ständig attackiert. Schockierend wie sehr man in Österreich noch ein Opfer der Intoleranz werden kann. Schiller hat einmal über jemanden gesagt: „Von der Parteien Hass und Gunst verzerrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte“. Erkennst Du Dich in diesem Satz wieder?
Schockierend ist vor allem, dass diejenigen, die für sich den Anspruch der Toleranz erheben, selbst eindrucksvoll intolerant sind und mit vorgefasster Meinung fern jeder Objektivität ihre ideologische Linie durchziehen – das sieht man leider immer wieder – durchaus in ganz Österreich. Ich habe es in Salzburg am eigenen Leib erleben müssen, bin aber stolz darauf, dass mein Charakterbild dadurch nicht geschwankt hat. Ich habe mich immer klar positioniert und bin für freie und gute Kunst gestanden, unabhängig von Einflüssen aus der Gesellschaft und der Politik. Ich bin politisch vereinnahmt worden, der schwarzen Reichs­hälfte zugeordnet worden, vor allem ideologisch. Aber es war dann auch ein Kampf um Salzburg, es war extrem komplex. Es ging ums Museum am Berg, ums Museum im Berg und am Ende war es zusätzlich ein Problem, dass sich der Herr Schaden in dieser „Gelatin Causa“ besonders lächerlich gemacht hat. Was alle überhaupt wahnsinnig gemacht hat, dass ich eben völlig unabhängig bin. Ich habe vielleicht meine Grundeinstellung, aber ich bin keine Schwarze, keine Blaue, keine Rote, keine Grüne, sondern ich bin ich. Außerdem bin ich finanziell nicht abhängig, noch dazu als Frau – entsetzlich! Meinen Weg bin ich eben gegangen und wenn das dem Herren Schaden nicht passt, soll er sich brausen gehen. Als Resumee kann man sagen, dass Salzburg mit dem Spagat – im Sommer Weltstadt und im November Provinz – nicht ganz zurecht kommt.

Hast Du das Gefühl, dass Du in Salzburg eigentlich ein Bauernopfer im Parteienränkespiel warst oder ist einfach die lokale Intoleranz an derartig unqualifizierten Vorwürfen schuld?
Das Parteienränkespiel ist in Österreich – leider – immer schon sehr wichtig gewesen und läuft in Salzburg – das ist durch die gesamte, vor allem künstlerische Geschichte der Stadt gut belegt – zur hohen Kunst auf. Aber ganz möchte ich die lokale Intoleranz hier nicht aus der Verantwortung lassen. Die ist bei manchen „Salzbürgern“ schon recht beachtlich.

Wie hat sich Dein Menschenbild verändert auf dem Weg zwischen Sotheby’s und Salzburg?
Die meisten Menschen sind geprägt von Eifersucht und Missgunst, das ist leider so.

Aber hast Du mehr als vorher versucht, die Menschen irgendwie in ihren sozialen Instinkten zu analysieren?
Ja natürlich! Wenn man es so analysiert, dann weiß man’s ja eigent­lich, aber man will’s nicht wahrhaben.

Man will es nicht wahrhaben, dass wir alle zu 90 Prozent instinktiv reagieren?
Instinktiv und im Trott, im Strom der Zeit, ganz wie’s gerade opportun ist, wie’s gut ist … regnets jetzt? Mit meinem Mann im Hintergrund ist es mir auch immer leichter gefallen, mich „unabhängig zu fühlen“. Unabhängig zu sein, ist überhaupt der größte Luxus. Ich kann auch heute im Wesentlichen tun und lassen was ich für richtig erachte. Das war wahrscheinlich auch ein Schlüssel meines Erfolgs in Salzburg. Ihre Dynamik und Vitalität eröffnen wahrscheinlich jedem ihrer Projekte eine ganz andere Dimension. Die Programme sind sicherlich nur mit dem massiven Aufbringen von Privatmitteln zu machen. Es ist symptomatisch, dass Menschen mit geringeren kaufmännischen Qualitäten solche Programme manchmal zurückfahren müssen (Anm.: die von A. H. vorbereitete Ausstellung im Rupertinum „Klassi­sche französische Moderne“ wurde von ihrem Nachfolger abgesagt – aus Geldmangel).

Hast Du das Gefühl, dass Wien im Allgemeinen weltoffener und aufgeschlossener ist als Salzburg?
Wie heißt es so schön, „diesen Unterschied möchte ich klavierspielen können“. Wien hat sich in den letzten 20 Jahren unheimlich verändert und ist wahnsinnig offen geworden.

Wer hat Deiner Meinung nach den größten Anteil daran gehabt? Ich denke da zum Beispiel an den Busek und den Zilk.
Beide, jeder auf seine Art. Dadurch dass auch viele Leute weggegangen sind, in anderen Ländern gelebt und auch studiert haben, dann natürlich zurückgekommen sind, um sich hier wieder einzubringen, ist der Horizont in Wien viel weiter geworden. Busek und Zilk, waren sicher politisch zwei tolle Leute für diese Stadt und viele, viele mehr. Wissenschaftler und Künstler die hier agiert haben. Wien hat sich einfach irrsinnig geöffnet. Ich erinnere mich, wie wir 1982, nach zwei Jahren Amerika, zurückgekommen sind. Da hab ich mir gedacht, „OH MY GOD! Wie kann ich hier leben?“ Wien hat andererseits immer eine tolle Lebensqualität gehabt. Wie ich dann Sotheby’s aufgemacht habe, das war wirklich schwer, das war wie hinter dem Eisernen Vorhang. Die Händler waren hermetisch ab­geschlossen. Da hat es geheißen „Na der Kleinen wermer’s zeigen.“ Und ich hab mir gedacht „Na, ich werd’s Euch zeigen.“ Man durfte nicht exportieren. Außerdem hat es geheißen „Wäh! Handel … Wie kann sich eine Kunsthistorikerin mit so etwas Billigem wie Handel auseinander setzen …“ Heute das Normalste der Welt. Die Idee von einem Auktionshaus in ein Museum zu wechseln – nein wie schrecklich! Deshalb musste ich mir auch in der Provinz die Sporen verdienen.

Immer wieder wird gesagt, dass Mitarbeiter-Motivation nicht zu Deinen Kernkompetenzen zählt. Kann es sein, dass es einen gewissen Typus gibt, der mit Vitalität, Energie und den sich daraus ergebenden Veränderungen nicht zurecht kommt. Oder dem so etwas schlicht zu anstrengend ist?
Das ist die totale G’schicht. Bei Sotheby’s habe ich 20 Jahre, also die ganze Zeit, mit einem Team gearbeitet. Fordern tu ich schon viel, das ist klar. Wenn man in 4 Jahren ein Museum baut (Salzburg) und ein altes wieder positioniert, man kann das ja nicht alleine machen. So etwas kann man nur mit wirklich guten, engagierten Mitarbeitern.

Die Persönlichkeiten müssen einfach stimmen?
Natürlich, es muss stimmen.

Manche Charaktere sind wahrscheinlich schwierig zu motivieren.
In Salzburg sind maximal zwei Mitarbeiter gegangen. Die Schwierigkeit war, dass zum Beispiel irgendein Beamter vom Land entschieden hat, wer für mich die richtige Sekretärin war. Die war dann überhaupt nicht geeignet, konnte nicht einmal ganze deutsche Sätze schreiben und hat Englisch noch nie gehört. Das war natürlich auch politisch motiviert, sie wollten mir ganz einfach Schwierigkeiten machen.

Du hast bei Sotheby’s Aerobic-Stunden mitten in der Arbeitszeit eingeführt. Was war der Grund dafür?
Man fühlt sich gleich besser, wenn man „körperlich gut drauf ist“. Wir haben unheimlich viel gearbeitet und die Mädels wollten zum Ausgleich etwas machen.

Möchtest Du noch etwas zur „Pisser-Causa“ sagen.
Was ich dazu sagen kann, stammt vom Karl Valentin: „Es ist alles ge­sagt, aber noch nicht von jedem“, heisst’s!

Böse Frage: Geht es in der Modernen Kunst primär und vor allem um die Vermarktbarkeit?
Primär geht es in der Modernen Kunst nicht um die Vermarktbarkeit, aber andererseits ist eine Kunst im stillen Kämmerlein, für ein paar wenige Interessierte auch nicht mein Idealbild. Die Gesellschaft muss Anteil nehmen, über Kunst diskutieren, sich daran erfreuen, sich provoziert fühlen und über die Kunst ihr eigenes Leben orientieren. Kunst muss vermittelt werden, ob klassisch oder modern. Das Gros ist heute an zeitgenössischer Kunst interessiert.

Warum ist das so?
Das ist eine Frage der Aufarbeitung. Auch in alltäglichen Dingen wirst Du ständig damit konfrontiert, im Design, in Labels, das merkst Du gar nicht wo überall. Natürlich muss man nicht alles gutheißen, das ist auch meine Aufgabe, hier die Spreu vom Weizen zu trennen. Auch ich verstehe manches nicht, ich versuche es zu verstehen, zu hinterfragen oder ich beschließe für mich, dass ich das halt nicht gut finde!

Ich glaube, früher hast Du die italienische Renaissance gerne gehabt, heute eher die Moderne. Ist das richtig und was hat Dich zu dieser Richtungsänderung gebracht?
Im Studium habe ich den Schwerpunkt „Italienische Renaissance“ gehabt. Es war eine wunderbare Zeit, die mich einfach wahnsinnig fasziniert hat. Ich liebs ganz einfach!

Du meinst das ist kein Widerspruch zu heute?
Nein überhaupt nicht!

Noch im Jahr 2000 hast Du gemeint, die Direktion eines Museums würde dich nicht interessieren, dabei warst du doch 10 Jahre in der Schule von Guggenheim Direktor Thomas Krenz und hast genug Erfahrungen?
Weiß ich nicht! Wahrscheinlich ist das in irgendeinem Konnex gewesen. Grundsätzlich habe ich mich immer mit diesem Gedanken getragen, nach 20 Jahren auch etwas anderes zu machen. Eine Kulturnation wie Österreich hat die historische Verpflichtung, sich um die Kunstschätze der Vergangenheit und der Gegenwart zu kümmern. Was außer Kultur (und Natur) können wir im „Weltkonzert“ besseres bieten? Wer einmal in China war, weiß, dass man mit Produktion einfacher Güter in Zukunft nicht punkten wird können. Die staatliche Unterstützung muss größer werden. Ohne Erhöhung der Basisabgeltung wird sich letztlich kein Museums-, Theater- oder sonstiger Kunstbetrieb in Österreich weiterentwickeln können. Trotzdem müssen wir Privatmittel auftreiben.

Als „Gralshüterin“ der österreichischen Kunst, wie siehst Du da Deine Aufgabe international?
Dieses Museum sollte primär österreichische Künstler international vernetzen. Wenn ich hier die Ausstellung „Wien – Paris“ mache, sollte dieselbe auch in Paris stattfinden. Das ist eine wichtige Aufgabe für das Belvedere, dem österreichischen Künstler hier eine Plattform zu geben. Immer aber in sowohl historischer als auch geographischer Wechselbeziehung. Es ist außerdem nicht einzusehen, dass der Waldmüller, der sicher dieselbe Qualität hat, wie jeder gute französische Künstler des 19. Jahrhunderts, nur in Österreich bekannt ist.

Etwas das man unter anderem mit deinem Namen verbindet: Wenn es um Geld geht, wird nicht gleich auf die Brieftasche des Steuerzahlers geschielt, sondern Du versuchst Sponsorengelder aufzutreiben und so ganz simpel Geld zu verdienen. Ist das auch in der Österreichischen Galerie Dein Ziel?
Ja, natürlich, aber ich bin schon auch der Meinung, dass der Staat nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden kann. Es muss eine Basis da sein. Nicht so wie bei uns, dass die Gehälter wesentlich höher sind als die Basis … das kanns nicht sein!

Bis ca. 2000 warst Du vor allem im Kunsthandel und dort sehr erfolgreich, danach hast Du Dich mit dem Präsentieren und Verwalten von Kunst beschäftigt. Was liegt Dir eigentlich eher?
Jedes Ding hat zwei Seiten. Außerdem ist es heutzutage wesentlich vernetzter als früher, das ist einfach eine große Welt geworden. Du brauchst auch im Museumsbereich den Kunsthandel. Mein Asset ist natürlich auch, dass ich aus jahrelanger Erfahrung sowohl den Handel als auch die Sammler kenne und auf sie zugehen kann. Ich kann sagen, bitte helft mir mit Leihgaben, und so weiter … Zum ersten Mal in der mehr als hundertjährigen Geschichte der österreichischen Galerie Belvedere steht mit Agnes Husslein-Arco eine Frau an der Spitze des Museums.

Wenn jemand mit Deiner Dynamik ins Belvedere geholt wird, erwartet man sich ein gewisses Umkrempeln, keinesfalls ein Beibehalten des Status quo. Wenn Du Deine für Österreich ungewöhnlichen wirklichen Top-Kontakte ausnützt, um im Belvedere etwas auszustellen, könnte dabei etwas herauskommen, das es so bisher nicht gegeben hat. Die Frage ist, was planst Du?
Im Unteren Belvedere und in der Orangerie wird künftig ein international ausgerichtetes Ausstellungs­programm präsentiert werden. Das Untere Belvedere soll zu einer wahren Oase inmitten der Stadt werden. Auftakt dazu ist die Adaption der Orangerie. Ich habe mich für eine Umwandlung der Orangerie in eine Ausstellungs­halle internationalen Standards ent­schieden, natürlich bleibt dabei der Cha-­ rakter der Orangerie erhalten. Ne­ben einem neutralen Ausstellungsraum, einem „White Cube“, be­findet sich an der Südseite der Orangerie ein Wandelgang, der einen atemberaubenden Blick durch große Fenster auf den Kammergarten und das Obere Belvedere ermöglicht. Das leichte Ansteigen des Wandelganges der Orangerie bildet eine dreidimensionale Interpretation des barocken Gartens. Der direkte Blick in den Garten, das Verschmelzen von Architektur und Natur ist hier besonders evident. Dieser Umbau soll bis Frühherbst 2007 abgeschlossen sein. Künftig werden hier Sonderaus­stellungen zu sehen sein. Der Prunkstall des Prinzen Eugen, der neben der Orangerie des Unteren Belvederes liegt, ist ein faszinierender barocker Raum, mit original erhaltenen Nischen für Pferdetränken. Er wird in Zukunft Studienraum für die Mittelalter-Sammlung sein. Studienräume werden die Möglichkeit zur direkten Beschäftigung mit den Objekten bieten. Auch für Schulklassen wird es Spezialprogramme geben. Unter fachkundiger Anleitung wird so eine nähere Befassung mit den historischen Werken möglich. Das Obere Belvedere ist künftig ganz der Sammlung gewidmet. Es bietet einen kompakten Überblick über die Kunstgeschichte Österreichs im internationalen Konnex. Hier sind fast alle relevanten Hauptwerke aus der einzigartigen Sammlung des Belvedere, vom Mittelalter bis zur Gegenwart vorhanden. Künftig werden sämtliche Sammlungsbe- reiche, vom Mittelalter bis 1945, im Oberen Belvedere präsentiert. Das 20er Haus wird Schauplatz der Kunst von 1945 bis zur Gegenwart sein.

Das Belvedere hat großartige Kunstschätze vom Mittelalter bis zur Gegenwart. International ist das nach meinem Gefühl zu wenig bekannt. Siehst Du das auch so und wie würdest Du das ändern?
Die Positionierung des Belvedere als international orientierte österreichische Nationalgalerie steht im Mittelpunkt meiner Aktivitäten. Innerhalb von drei Jahren wird die erste Phase der Neuausrichtung des Belvederes ab­geschlossen sein.

Die Orangerie und das Untere Belvedere sollen ja ganz neu belebt werden. Welche Ausstellungen hast Du dort für 2007 in Planung und müssen sie immer einen Österreich-Bezug haben?
Die Eröffnungsausstellung „Gartenlust. Der Garten in der Kunst“ findet ab 22. März statt. Der Garten in der Kunst zeigt die Geschichte der Suche nach einer Einheit zwischen Kunst und Natur. Die Ausstellung gibt anhand von 120 Meisterwerken Einblick in die faszinierende Welt mittelalterlicher Gartensymbolik. Sie behandelt das Thema des barocken Schlossgartens, zeigt Gärten der Biedermeierzeit und den Blick der Impressionisten. Vom 5. Juli bis 23. September 2007 wird es eine Ausstellung von Meisterwerken mittelalterlicher Kunst aus dem Nationalmuseum Warschau geben. Sie veranschaulicht die wichtigsten Entwicklungen der gotischen Kunst Polens. Außerdem findet vom 3. Oktober 2007 bis 13. Jänner 2008 die Ausstellung „Wien – Paris“ statt. Es ist eine Ge­genüberstellung der französischen Impressionisten und der klassischen Moderne Frankreichs (Cézanne, van Gogh, G. Seurat, Rodin, Gauguin, Picasso und F. Léger) einerseits und der österreichi­schen Moderne (G. Klimt, Kokoschka, Boeckl, usw.) andererseits. In direkten Gegen­überstellungen einzelner Schlüsselfigu­ren der österreichischen Moderne wird ein Panorama der Moderne im Sin­ne eines gesamteuropäischen Projektes ge­schaffen werden.

Du hast einmal gesagt, das Belvedere sei wie ein Musikinstrument, bei dem noch viele Saiten zum Klingen gebracht werden können. Wenn ich höre Gartenbrunch, Buchpräsentationen, Kaffeehaus und Ge­müseorchester, wird sogar mir ganz frühlingshaft zumute, was ist da genau geplant?
Also, das ist eine Veranstaltung zum Thema Gartenlust, das wird schon eine lustige Ausstellung. Der Garten in seinen Variationen, das ist doch etwas Wunderbares …

Du hast gesagt, man müsste vom 20er-Haus zum Belvedere (die unter Deiner Direktion eine organi­satorische Einheit mit dem Atelier Augarten bilden), eine Brücke schaffen. Wo siehst Du die Abgrenzung von der Moderne zur Klassischen Kunst oder ist gerade die Gegenüberstellung wichtig.
Beides! Es wird in vielen Richtungen eine Gegenüberstellung geben. Wie hier die Gudrun Kampl, werden sich auch zeitgenössische Künstler im Haus mit der Architektur auseinandersetzen. Kampl setzt mit ihren textilen Objekten eine markante Intervention im Oberen Belvedere. Wie mit einer zweiten Haut bekleidet sie Skulpturen in der Sala Terrena, im Marmorsaal sowie im Stiegenhaus und setzt damit einen massiven Kontrapunkt zur Architektur Lukas von Hildebrandts. Lust, Sinnlichkeit und Spiel stehen charakteristisch für Kampls Arbeiten. Anläßlich des 100. Geburtstages von Fritz Wotruba zeigen wir im Oberen Belvedere eine Retrospektive dieses bedeutenden österreichischen Bildhauers.

Dein Großvater Herbert Boeckl ist ja durch die Begeisterung für die romanischen Fresken in Spanien eigentlich erst animiert worden zur Ausmalung der Engelskapelle im steirischen Stift Seckau. Wie wichtig siehst Du alte Kunstwerke als Inspirationsquelle moderner Künstler?
Für manche ist die Auseinandersetzung mit alter Kunst ganz wichtig. Die Künstler haben sich immer mit den Problemen ihrer Zeit auseinandergesetzt. Auch die alten Meister. Künstler sind schon hypersensible und sehr spezielle Wesen, ganz einfach Sensoren der Zeit.

Siehst Du Dich eigentlich in Konkurrenz zur Albertina oder setzt Du auf Synergieeffekte und wenn ja auf welche?
Konkurrenz belebt nur und hat noch nie geschadet!

Dein Weg ist mit „Skandalen“ gepflastert.
Achso?!

Du bist jemand, der polarisiert. Stört Dich das?
Ein Skandal war es immer nur für die anderen. Das Kunstwerk von Gelatin wurde von allen, die mit der Materie vertraut sind, als interessant eingestuft. Letztlich hat die Diskussion dem Rupertinum nur genützt. Es gibt tatsächlich Leute die sagen, dass ich polarisiere? In Wirklichkeit bin ich nur direkt – das hat schon Popper gesagt – in heiklen Situationen muss man scharf formulieren.

In Österreich fehlen doch Politiker mit einer gewissen Ausstrahlung. Und da ich nicht annehme, dass du bald älter wirst (im Sinne von Marc Aurel, der einmal gesagt hat: Ihr werdet jung bleiben, solange ihr aufnahmebereit bleibt, empfänglich für das Schöne, Gute und Große, empfänglich für die Botschaften der Natur, der Mitmenschen, das Unfassliche. Sollte eines Tages euer Herz geätzt werden von Pessimismus, zernagt vom Zynismus, dann möge Gott Erbarmen haben mit eurer Seele, der Seele eines Greises.) hättest Du noch viel Zeit das zu machen. Kannst Du Dir ein politisches Engagement vorstellen?
Nein, kann ich mir nicht vor­stellen!

Warum nicht?
Ich bewege gerne etwas. Wenn ich mir die Politik so anschaue, ist es dort offenbar wirklich sehr schwer, Visionen umzusetzen.

Hättest Du als leidenschaftliche Kunstmanagerin und Direktorin einer Galerie einen Wunsch an die österreichische Politik, was sich ändern sollte?
Es war immer mein Anliegen, private Mittel in größerem Ausmaß zur Förderung von Kunst und Kultur zu gewinnen. Es wäre dafür eine entscheidende Verbesserung, wenn Sponsorengelder für künstlerische und kulturelle Aktivitäten steuerlich absetzbar wären, das gibt es zwar bisher für Firmen, aber Private können nur maximal 10 Prozent ihres Vorjahreseinkommens für Kunstförderung von der Steuer absetzen. Diese Grenze ist überflüssig. Man müsste Privaten auch ermöglichen, ihre Ausgaben für Kunstförderung zur Gänze von der Steuer ab­zu­setzen.

Was sind Deine Lieblingsschriftsteller, klassisch und modern?
Ich lese gerne Hermann Hesse und schaue mir gerne Schnitzler an, aber auch moderne Autoren wie zum Beispiel Neil LaBute finde ich interessant. Wer „Some Girls“ noch nicht gesehen hat und sich für Beziehungen interessiert, sollte das unbedingt nachholen. Allerdings liebe ich auch russische Literatur, Dostojewski, Tschechow, Tolstoi …

Lieber der liberale Tolstoi oder der religiös-konservative Dostojewski?
Ich liebe alles, die russische Seele. Da hab ich eine unheimliche Affinität! Auch die russische Musik liebe ich! Ist doch herrlich, oder?

Also eigentlich sind Dir die menschlichen Beziehungen ein wichtiger Aspekt?
Ja, genau! Aber auch die Analyse, die Beobachtung!

Was relaxed Dich eigentlich?
Totale Ruhe!

Was sind deine Lieblingsfarben?
Starke Farben, Rot, Orange, Pink!

Und die bleiben immer gleich?
Ja, immer!

Welchen Luxus leistest Du Dir?
Der größte Luxus ist unabhängig zu sein. Schön wäre auch noch der Luxus, Zeit zu haben, Zeit für sich selbst. Das geht mir momentan etwas ab, aber das wird sich irgendwann schon ändern.

Deine Colliers sind eigentlich schon „Agnes-Style“. Werden sie nach Deinen eigenen Angaben gemacht?
Ja, ich habe eine Freundin, die Monika Kaesser, die ist wirklich genial. Die macht mir das, sie geht auch herum und sammelt Sachen für mich.

Was wäre, wenn es auf der Welt keine Männer gäbe (außer dass alle Frauen dick wären)?
Mein Mann erklärt mir, dass die Männer für die Reproduktion in Zukunft immer unwichtiger werden – und sich irgendwann ihre Notwendigkeit auflösen wird … Für die Reproduktion sind sie offenbar entbehrlich; sonst ist das Leben mit Männern wahrscheinlich schon unterhaltender.

Mit wem würdest Du ganz bestimmt nie auf einer Insel sein wollen?
Also keinesfalls mit jemandem, der in der Nahrungskette über mir steht (zum Beispiel Hannibal Lecter)

Antal Festetics hat von einer Typisierung der Menschen in Jäger und Sammler gesprochen. Sie gilt wechselweise für Männlein und Weiblein. Bist du Jägerin oder Sammlerin?
Eine Jägerin, die Trophäen sammelt.

 

Agnes Husslein-Arco Werdegang

  • 1954 22. Mai geboren in Wien als Tochter von Karl Heinrich (Graf) Arco, Direktor der Firma Swietelsky, und Felicitas Arco, geborene Boeckl, Tochter des bekannten Malers Herbert Boeckl.
  • 1960 – 1964 Volksschule Wien
  • 1964 – 1972 Neusprachliches Gymnasium in Wien, Matura
  • 1972 1972 – 1979 Studium der Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Wien, der Sorbonne und der École du Louvre in Paris, Abschluss mit Dr. phil. (Dissertation über Herbert Boeckl und die Engelskapelle in Seckau)
  • 1972 – 1973 neben dem Studium Mitarbeit in der Galerie Ulysses
  • 1973 – 1978 Experten-Elevin am Dorotheum
  • 1978 Heirat mit Dr. Peter Husslein, inzwischen Universitäts- professor und Vorstand der Universitätsfrauenklinik Wien, zwei Kinder
  • 1978 – 1980 Dorotheum – Expertin für moderne Kunst
  • 1980 – 1981 Sotheby’s New York – Expertin für Druckgraphik des 20. Jahrhunderts
  • 1981 – 2000 Geschäftsführerin des auf ihre Initiative hin gegründeten Sotheby’s Wien
  • 1988 – 1999 Geschäftsführerin von Sotheby’s Budapest
  • 1989 – 2000 Geschäftsführerin von Sotheby’s Prag
  • 1989 – 2000 Sotheby’s-Expertin für Impressionismus, Klassische Moderne und Zeitgenössische Kunst weltweit
  • 1990 – 1998 Director of European Development, Guggenheim Museum New York
  • 1990 – 2000 Senior Director für Sotheby’s Europe, London
  • 1999 – 2000 Client Development Director für Sotheby’s Europe, London
  • 2001 – 2005 Direktorin des Rupertinum in Salzburg
  • 2002 – 2004 zusätzlich verantwortlich für Umbau und Umstrukturie- rung der Kärntner Landesgalerie zum Museum Moderner Kunst Kärnten und künstlerische Leitung desselben.
  • 2003 – 2005 zusätzlich Geschäftsführung des Museums der Moderne Salzburg
  • Ab 2006 Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien

Daneben kuratorische Kunstberatung und Betreuung zahlreicher bedeutender Sammlungen, Vorstand der Leopoldstiftung, zahlreiche Vorstands- und Jury-Funktionen, viele Textbeiträge und Publikationen.

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