Volksoper: KREATIONEN – Ballett trifft Zeitgeist
KREATIONEN an der Volksoper Wien feierten mit drei Uraufführungen in einer fulminanten Premiere den Abschied von Martin Schläpfer – mit visionärem Tanz, viel Emotion und musikalischer Brillanz.
16. Juni 2025
Mit der Premiere am 14. Juni 2025 verabschiedete sich Martin Schläpfer als Direktor des Wiener Staatsballetts und hinterlässt mit einem eindrucksvollen Triple-Bill-Abend ein kraftvolles Statement für die Zukunft des Tanzes. Drei Uraufführungen von Alessandra Corti, Louis Stiens und Martin Chaix bildeten das Programm dieses besonderen Abends in der Volksoper Wien. Alle drei Choreografen zeigten ihre Werke erstmals in Wien und setzten dabei ganz eigene, eindringliche Akzente.

Eröffnet wurde der Abend mit Aerea, einer atmosphärisch dichten Arbeit der italienischen Choreografin Alessandra Corti. Inspiriert von Identitätsfragen im Spannungsfeld zwischen persönlichem Empfinden und kollektiver Erfahrung, inszeniert Corti ein Stück voller Zwischentöne – schwebend, widersprüchlich, intensiv. In weißen Nebel getaucht, bewegen sich die Tänzerinnen und Tänzer wie flüchtige Wesen im Wind, wirken wie Punks oder Rebellen, die gegen Konventionen und Zuschreibungen antanzen. Die Kostüme von Lucia Vonrhein – viel Glitzer, Gold, Kajal, halbfertige Looks – unterstützen die expressive Ästhetik. Die Musik: Michael Gordons kraftvolle, manchmal verstörende Neuinterpretation von Beethovens 7. Symphonie, ein brodelnder Klangteppich aus Glissandi, Sirenen und wirbelnden Holzbläsern.

Nach der Pause folgte High, choreografiert von Louis Stiens. Der gebürtige Münchner thematisiert in seiner Arbeit die fragile Schönheit eines Rausches – körperlich, emotional, sozial. Die durchfeierte Nacht als Metapher für unser modernes Leben zwischen Eskapismus und Erschöpfung. Die Musik von Lisa Streich changiert zwischen Revue, Marsch und Karneval – immer ironisch gebrochen, immer auf dem schmalen Grat zwischen Euphorie und Melancholie. In einer düsteren Szenerie zwischen grauweißen Jumpsuits und Betonwand entfalten sich berührende Soli, expressive Duette und ein clownesk-abstrakter Tanzkosmos. Besonders eindrucksvoll: das Solo von Yuko Kato und ein poetisches Duett zwischen Helen Clare Kinney und Rebecca Horner.

Den Abschluss und emotionalen Höhepunkt des Abends bildete M to M von Martin Chaix – eine tänzerische Hommage an den scheidenden Ballettchef Schläpfer. Der Titel ist doppeldeutig: „Martin to Martin“ – eine persönliche Grußformel zwischen Chaix und Schläpfer – und „Martin to Max“, eine Referenz an Komponist Max Bruch, dessen 1. Violinkonzert diesem Stück zugrunde liegt. In spätromantisch aufgeladener Atmosphäre tanzen die Paare eine Liebeserklärung an das Leben: voller Kraft, Zärtlichkeit, Humor und Anmut. Die Choreografie erinnert an das klassische Ballett, doch immer wieder durchbricht sie Konventionen mit virtuosen Hebefiguren, fliegenden Körpern und einer expressiven Körpersprache, die emotional tief berührt.
Das Orchester der Volksoper Wien unter der Leitung von Jean-Michaël Lavoie bewältigte die musikalischen Herausforderungen der drei so unterschiedlichen Kompositionen mit Bravour. Ein besonderer Glanzpunkt: der gefeierte Soloviolinist Benjamin Herzl, der mit Bruchs Konzert einen brillanten Auftritt hinlegte.
KREATIONEN war mehr als ein gelungener Ballettabend – es war eine Liebeserklärung an die Vielfalt, den Mut und die Wandelbarkeit der Kunstform Tanz. Ein würdiger Abschied für Martin Schläpfer, der dem Wiener Staatsballett in den letzten Jahren neue Impulse gegeben hat. Und ein verheißungsvoller Blick in die Zukunft.
Kreationen in der Volksoper, Währinger Straße 78, 1090 Wien.
Weitere Aufführungen am 20., 22., 24., 27. und 30. Juni 2025.
Weitere Infos HIER