NICOLA MARAMOTTI: WIEN WAR EINE CHALLENGE

Max Mara hat endlich einen Flagshipstore in Wien. Die Marke kennen viele, wenige wissen, wer dahinter steckt. Achille Maramotti gründete das Unternehmen, das sich zur Gänze in Familienbesitz befindet, in den 1950er Jahren. Der visionäre Italiener gilt als Vorreiter der modernen Prêt-à-porter. Er ließ Mäntel, Blazer und Kostüme für die Stange produzieren, und zwar zu einer Zeit, als es für Modebewusste nur drei Varianten gab: französische Couture, Schneider ums Eck oder Selbstgenähtes. Damit legte er den Grundstein für das erfolgreiche Familienunternehmen.

Der legendäre Kamelhaarmantel (Modell 101/801) ist nach wie vor ein Renner, das Bekenntnis zu Qualität, Funktionalität und nobler Zurückhaltung scheint ein weiterer Erfolgsfaktor der Familie Maramotti zu sein.

Nicola Gerber Maramotti kam zur Eröffnung des Stores nach Wien. Die gebürtige Deutsche ist mit Ignazio, einem der Söhne von Achille Maramotti, verheiratet. Sie ist verantwortlich für den gesamten Vertrieb in Europa, in die Entwicklung neuer Stores involviert und darf, bei aller Zurückhaltung, als Botschafterin der Marke Max Mara gesehen werden.

In unserem Gespräch erzählt Nicola Maramotti über die Herausforderung Wien, warum sie alle Lichtdesigner fast nach Hause geschickt hätte, was der Familie Maramotti wichtig ist und warum sie sich gerne mit jungen Menschen umgibt.

VONsociety: Nicola Maramotti, Andrea Harris

Nicola Gerber Maramotti beim Interview mit Andrea Harris © Paul Harris

Sie haben sechs Jahre nach dem idealen Standort gesucht?
Ja, ich habe tatsächlich sechs Jahre gesucht und kann sagen, dass dieser Store hier wirklich mein Baby ist. Ich bin für Retail in ganz Europa zuständig und kümmere mich schon seit vielen Jahren um die Kollektion, um alles was mit Max Mara zu tun hat. Die einzige Großstadt Europas in der wir noch nicht vertreten waren, war Wien. Meine Familie hat gesagt: Nicola du musst das machen, du sprichst Deutsch.

Ich liebe es Standorte zu entwickeln. Aber ich muss schon sagen, Wien war wirklich schwer! Als ich vor sechs Jahren mit der Suche anfing, wurde gerade das Goldene Quartier entwickelt. Ich hab auch die Signa kennengelernt, jeden Makler kenne ich, bin immer wieder hier hergekommen, habe mir Immobilien angeschaut, wusste aber, dass alles was ich sah, nicht das Richtige war.


In das Goldene Quartier wollten Sie wahrscheinlich nicht?
Nein, das hat mir ein bisschen Angst gemacht. Irgendwie hatte das etwas Dunkles …


… auf mich wirkt es total artificial …
Ja, das ist nicht so lebhaft. Der Graben hat eine Geschichte. Die fängt schon bei den Römern an. Wenn man daran denkt, wer hier alles flanierte, große Musiker, Schriftsteller und Philosophen, das ist einfach phantastisch.

Mir liegt sowieso mehr das richtige Leben. Da passt Max Mara einfach besser hin. Nach dieser ganz langen Suche kam ich dann in dieses alte Spielwarengeschäft …


… das war der Kober, mit dem großen Bären vor der Tür …
Genau. Unten gab es noch andere Geschäfte, aber die waren nicht mit dem Obergeschoß verbunden. Das Haus hat Geschichte. Als ich die schönen Räume sah und die Möglichkeit, die beiden Geschäfte im Erdgeschoß zusammenzulegen, da war ich überzeugt.

Und dann ging’s los: für mich waren das die anstrengendsten Verhandlungen, die ich je gemacht habe. Es waren so viele Verknüpfungen vorhanden, hier werden ja Mietverträge auch aufgekauft – ich will das gar nicht alles ausführen. Ich kam also zuerst ganz alleine nach Wien, das mache ich immer so. Den Anwalt bringe ich erst später mit. Aber hier saßen beim ersten Treffen schon 10 Anwälte am Tisch. Ich fühlte mich fast etwas verloren, habe nur meinen Block rausgenommen und gesagt: Okay Jungs, wenn es also heute schon darum geht, dass wir entscheiden, was die Spielregeln sind, dann machen wir das. Und das haben wir getan: ich habe am selben Tag ja gesagt.

VONsociety: Maramotti, Max Mara Flagshipstore Wien, Obergeschoß

Max Mara Flagshipstore: historische Elemente, edle Materialien, Salons durch die man flaniert und durchdachte Beleuchtung schaffen eine besondere Atmosphäre

 

VONsociety: Maramotti, Max Mara Flagshipstore Wien, Treppe

Die Treppe ins Obergeschoß präsentiert sich als besonderes Designelement und ist ein echter Eyecatcher

Ich finde den Store sehr gelungen, sehr ansprechend! Man hat das Gefühl durch eine Bel Etage zu flanieren. Es hat etwas sehr Privates.
Gerade das Flanieren und jede Kollektion entdecken zu können – von Sportmax, Cube, bis zu Weekend, Max Mara Elegante und Max Mara, im Erdgeschoß die Accessoires – das ist toll. Jedes Zimmer spricht seine eigene Sprache. Ich bin wirklich stolz auf Wien und habe sogar meine Eltern zur Eröffnung eingeladen.

Es war unglaublich kompliziert, aber wenn man das Projekt dann erfolgreich zu Ende gebracht hat, dann ist man schon stolz. Ich muss auch sagen, dass ich mich in Wien wirklich 360° um alles gekümmert habe. Vom Teppich bis zum kleinsten Väschen, alles musste von mir kontrolliert werden. Ich war da echt schon maniakalisch!

 

Ich denke, das ist aber nachvollziehbar, wenn man als Mitglied der Inhaberfamilie mit der Marke identifiziert wird beziehungsweise persönlich so dahinter steht wie Sie.
Sie sind wahrscheinlich auch eine Perfektionistin …
… ja, total!

 

… und kümmern sich gerne um Details.
Absolut. Wenn ich zu Hause gute Atmosphäre schaffe – ich weiß, dass meine Gäste nie gehen wollen – dann möchte ich das gleiche in unseren Geschäften tun. Auch wenn ich nicht da bin, sollen sich die Kundinnen wohl fühlen. Ich habe lange überlegt, wie die Beleuchtung sein soll …

 

… das ist ja ein ganz spezielles Thema. In manche Umkleidekabinen möchte man gar nicht rein.
Die Beleuchtung habe ich dermaßen studiert und dementsprechend gestalten lassen, dass Sie denken, Sie sind geliftet worden!

In habe 10 Lichtarchitekten in einen alten Schuppen auf dem Lande geholt. Die sollten mir zeigen, wie man in einer Umkleidekabine richtig beleuchtet. Ich habe sie alle wieder nach Hause geschickt. Nein, habe ich nicht! (lacht)

VONsociety: Maramotti, Max Mara Flagshipstore Wien, Umkleide

Umkleidekabinen zum Wohlfühlen

 

Wahrscheinlich waren das nur Männer?
Ja, alle. Die hatten nie überlegt, wie man das Licht richtig einsetzt. Ich habe ihnen gesagt: Wir gehen jetzt nicht weg, bevor wir nicht die ideale Beleuchtung gefunden haben!

Es ist auch immer die Frage, was möchte ich beleuchten. Natürlich müssen wir die Ware entsprechend präsentieren, aber letztendlich sollen unsere Kundinnen insgesamt gut ausschauen und sich wohlfühlen.

 

Apropos wohlfühlen: in Max Mara scheinen sich viele Frauen wohlzufühlen?
Unsere Mode hat die Eigenschaften, die für eine Frau bedeutend sind: sie ist funktionell und unkompliziert. Es ist wichtig von morgens bis abends gut angezogen zu sein. Wenn ich arbeite, wenn ich die Kinder von der Schule hole, mit dem Hund Gassi gehe. Ideal ist, wenn ich das was ich trage am Abend nur durch ein paar tolle Accessoires ergänzen muss und fertig für eine Cocktaileinladung bin.

Die Stoffqualität muss stimmen, die Passform. Viele Frauen sind berufstätig. Die müssen sich in jeder Situation wohlfühlen und sicher sein. Max Mara erlaubt dir dieses Selbstbewusstsein.

 

Wie stark sind Sie in die Entwicklung involviert und welchen Anspruch haben Sie an den Designer?
Bei der Wahl unserer Designer besteht schon ein hoher Anspruch an Kreativität. Aber auch Anspruch daran, dass der Designer unsere DNA versteht. Und wenn er die verstanden hat, dann beginnt ein Teamwork zwischen allen Spezialisten auf dem Gebiet.

 

Wie war es für Sie in eine italienische Familie einzuheiraten? Sind da gelegentlich die Mentalitäten aufeinander geprallt? Haben Sie von den Italienern etwas gelernt, etwas übernommen?
Ich muss sagen, dass meine italienische Familie fast deutscher ist als ich (lacht). Und dass man zu mir gesagt hat, ich bin die einzige Neapolitanerin in der Familie. Das Ganze möchte ich relativieren. Es stimmt so nicht. Es stimmt, dass ich sehr frei denke. Aber es stimmt auch, dass ich sehr deutsch denke. In gewisser Hinsicht möchte ich dann immer die Entscheidung treffen und zwar schnell.

Der Italiener ist da nicht so schnell. Da heißt es: warte erst mal ab, denke erst mal darüber nach, wägen wir das erst mal ab. Es gibt nicht immer nur schwarz oder nur weiß, sondern es gibt vielleicht auch einen Weg, ein bisschen „out of the box“ zu denken.

Mein Schwiegervater hat so gedacht und hat mich damit absolut angespornt, das auch zu tun: Schau nach vorne!

Dieses Nach-vorne-Gucken, auch in der Mode, sehen was morgen geschieht, und wo wir morgen sein wollen – nicht nur im privaten Bereich sondern auch im Business – das ist uns besonders wichtig!

 

Das wird sich auch in der Zusammensetzung Ihrer Teams widerspiegeln?
Wir haben junge Teams, die genauso denken. Ich glaube unheimlich an junge Menschen und umgebe mich nur mit jungen Menschen, möchte dass sie lernen, dass sie groß werden. Man lernt auch unglaublich viel von ihnen. Das ist etwas, was viele in der älteren Generation – sicher nicht alle – nicht so beherrschen, weil sie Angst haben, dass es bedeuten könnte, dass ihnen jemand ihre Arbeit wegnimmt. Das habe ich gar nicht, dieses Gefühl. Ich denke mir genau das Gegenteil.

Die Ideen junger Menschen sind doch sehr inspirierend. Es ist immer befruchtend sie miteinzubeziehen und auch zu sehen, wie sie langsam Verantwortung übernehmen. Das möchte ich genauso bei meinen Kindern. Man muss sie schon ins kalte Wasser schmeißen und sagen: Jetzt schwimme!

 

Sie haben vier Kinder – drei Töchter und einen Sohn …
… die Großen sind 21 und 22 der Sohn ist 18 und die jüngere Tochter 17.

 

Das war wohl sehr dynamisch?
Ja sicher, aber jetzt studieren alle im Ausland. Selbst die beiden Jüngsten. Denen habe ich Lust auf ein College in England gemacht. Das machen sie sehr gerne und ich habe jetzt richtig viel Zeit mich in meine Arbeit zu stürzen. Für die Ferien kommen sie natürlich nach Hause. Da sind die vier dann lange da und es konzentriert sich alles auf die Familie und auf tolle Gespräche, dazwischen wird auch mal gestritten. Aber das gehört zur Familie dazu, das ist ganz normal. Das geht bei uns genauso wie bei Ihnen. Man hat die Pubertät durchgelebt und überlebt. (lacht)

 

In welche Richtung tendieren Ihre Kinder: sind sie mehr wirtschaftlich, juristisch orientiert? Zieht sich da die familiäre Prägung durch?
Ja, das kann man sagen. Bei meiner Ältesten, absolut. Die ist unglaublich fokussiert. Die weiß genau wo sie hin will, arbeitet wie verrückt und hat immer nur die besten Noten gewollt, hat sehr große Ansprüche an sich. Da sage ich schon mal, komm entspanne dich! Sie tendiert ganz klar in Richtung Management.

 

Gibt es die Idee, eine Männerkollektion zu starten?
Wir bleiben bei den Damen. Wir haben viel zu tun und sind eine kleine Familie und wenn das alles weiterhin so gut funktionieren soll und man die DNA in die nächste Generation bringen möchte, das funktioniert nur, wenn man das weiter familiengeführt tut, dann sollte man sich auf die Sache konzentrieren die man kann.

 

Was ist denn die große Vision für die nächsten Jahre? Wo sehen Sie Max Mara in 10 Jahren?
Gute Frage! Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Ich hoffe, dass wir noch so hier sind, wie wir heute hier sind und uns nicht verlieren, sondern zu uns stehen und weiter an all diese Werte glauben, die wir heute haben.

Das ist Modernität, Qualität, Kreativität, all dies muss weitergeführt und weitergegeben werden. Das heißt, die größte Challenge ist jetzt, die nächste Generation vorzubereiten, weiter an und mit diesen Werten zu arbeiten. Das ist sicher eine Herausforderung. Und dann gibt es online.

 

Wie funktioniert online bei Ihnen?
Gut, immer besser! Das läuft, das kann natürlich immer noch besser werden. Ich dränge sehr darauf, dass die gleiche Sprache on- und offline gesprochen wird. Das ist heute noch ein bisschen getrennt, bei allen, auch bei Magazinen. Wir sind auch sehr mit Facebook und Instagram dabei.

 

Wie viel Handarbeit steckt in einem Kamelhaarmantel?
Da ist alles Handarbeit! Der Doubleface Mantel ist pure Handarbeit.

Ich muss Ihnen das zeigen. Nicola Gerber Maramotti bittet eine Mitarbeiterin uns einen Mantel zu bringen.
Sehen Sie, der Doubleface Mantel hat keine Nähte. Um diesen Stoff so hinzukriegen, dass er keine Nähte hat, muss der von Hand aufgetrennt werden. Dann wird er übereinander gelegt und mit einem Handstich wieder zugenäht. Das wird alles per Hand gemacht. Ein kleines Stück vom Doubleface Stoff kommt in ein Kärtchen und wird in jeden Mantel reingehängt um das unserer Kundin zu zeigen.

 

VONsociety: Maramotti, Max Mara Label, Kamelhaarmantel

Max Mara lässt in Italien produzieren – viele Arbeitsschritte entstehen in Handarbeit

Ich glaube kein italienisches Modeunternehmen außer uns lässt noch in Italien fertigen. Bei uns werden die Mäntel tatsächlich in Italien hergestellt. Wir haben auch ein wunderbares Firmenarchiv. Ganz toll ist das auch für unsere Designer, die sich von den verschiedenen Jahrzehnten inspirieren lassen, zurück gehen und schauen, was hat denn Karl Lagerfeld für die Kollektion von Max Mara gemacht. Wir hatten ja alle dabei …

 

… ja ich weiß, aber Sie hängen das nicht an die große Glocke. Was auch ein guter Weg zu sein scheint. Vor allem, wenn man sich den Hype um die Designer anschaut und das Spiel, wer wechselt wann wo hin und wer kommt nach …
Die können nur so viel, weil immer jemand hinter ihnen steht, der ihnen hilft es dann in ein Produkt zu verwandeln, das funktionieren kann. Klar, ohne Designer fehlt die kreative Ader. Es geht nicht eins ohne das andere. Da ist es wichtig, dass man der Kreativität schon freien Lauf lässt, sie aber dann so interpretiert, dass sie mit der Firmensprache konform geht.

 

Das ist ja fast wie bei Kindererziehung. Man muss sie frei lassen, sie probieren lassen, aber trotzdem die Richtung vorgeben und ihnen Grenzen setzen.
Ja, stimmt! Es muss Regeln geben. Es ist genau das gleiche (lacht herzlich), gutes Beispiel.

 

Ich denke, dass bei einem Produkt, bei dem Qualität im Vordergrund steht, absolut spürbar ist, mit welcher Hingabe oder Leidenschaft es gefertigt wurde. Dass hier ein großer Unterschied zu einem Produkt besteht, das unter miesen Bedingungen entstand. Was halten Sie davon? Können Sie mir da folgen?
Ja, absolut. Ich kann Ihnen da sehr gut folgen. Das war mal ein großes Thema zwischen mir und meinen Kindern. Da haben wir sehr viel darüber gesprochen.

Ich glaube, was man auf jeden Fall sagen kann: Luxus ist, ein Produkt zu spüren und zu wissen, was sein Geheimnis ist. Das musst du spüren, das muss nicht von draußen gesehen werden. Wenn man einen Mantel öffnet und der ist innen genau so schön wie außen, dann ist das wunderbar.

Dann kommt natürlich der Teil dazu, den sie angesprochen haben. Ich denke schon, dass ein „Made in Italy“ oder ein „Made with Passion“ etwas aussagt.

 

Vielleicht sollten wir ein eigenes Label „Made with Passion“ gründen …
Ja, das habe ich gerade das erste Mal in meinem Leben benutzt!

 

Max Mara Flagshipstore – Am Graben 14 – 1010 Wien
www.maxmara.com

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